Berlin, 7sins, 05.10.2073

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Die blassen Nasenflügel des Geschäftsführers der B.C.B Security GmbH vibrierten sichtbar als er seine Wut aus der Lunge herausschnaufte. Er nahm das billige Kommlink und versuchte es vergebens in der Hand zu zerdrücken, als die Plastikhülle sich ihm nicht sofort ergab schleuderte er die wehrlose Elektronik kräftig gegen die kahle Wand seines Büros und transformierte das Kommlink so zu E-Schrott. Jokers Gesichtsfarbe war angestrengt dabei denselben Ton seiner knallroten Haare anzunehmen als der Punk mit einem wütenden Schrei seinen Chefsessel an der Rückenlehne packte und in einer uneleganten Drehung mit dem Panzerglas des Fensters konfrontierte, das daraufhin beleidigt an der Oberfläche aufplatzte, sich sonst aber unbeeindruckt zeigte. Der zweite, dritte und vierte Schlag mit dem Sitzmöbel auf die Scheibe sorgten nur dafür, dass die acht Plastikrollen am Fuß des Stuhls erst deformierten und dann in chaotischen Bahnen beschwingt durch den Raum sausten.

Der Punk warf den bedauerlichen Rest des ergonomischen Designerbürostuhls „Boss“ in eine leere Ecke, drehte sich um und brachte mit einem kräftigen Tritt gegen den eleganten Schreibtisch mit der massiven Glasplatte diesen ganz unelegant zum Umkippen. Krachend verteilten sich die Büroutensilien und der Rechner von dem Tisch über den Teppichboden. Mit einem weiteren Kick gegen die Glasplatte kippte der Schreibtisch erneut, so das seine eigentliche Oberfläche die Dinge, die vorher auf ihm lagen, nun begrub. Wüste Beschimpfungen über osteuropäische Bevölkerungsgruppen erfindend stieg Taresh mit einem großen Schritt über das Malör, packte einen der beiden Bauhaus Gästesessel die vor dem Schreibtisch standen und haute ihn kräftig gegen das Gemälde an der Wand. Dass die Leinwand des Kunstwerkes dabei zerriss hätte ihn wohl nicht einmal im klaren Zustand weiter gestört, Spitzzahn hatte ihn genötigt das potthässliche Ding von einem lokalen Künstler zu kaufen, der Reputation wegen.

Mit einem weiteren Schrei riss der Straßensamurai die mit Ordnern und Werbegeschenken gefüllte Schrankwand um, deren getönte Glastüren sich im Kippen einladend öffneten und dann fröhlich auf dem Boden zerschellten. Den nächsten Freiflug gewann der zweite Gästesessel, dass er gegen die Bürotür krachte tat weder ihm noch der Tür gut. Joker sah sich suchend um, dort stand noch eine unschuldige, weiß gestrichene Echtholzkommode in seiner Reichweite. Als er sie mit seinem Kampfstiefel konfrontierte, beschloss die Möbeltür klüger zu sein und gab nach. Der Fuß des Elfen steckte tief in der Kommode und wurde von dieser fester gehalten als erwartet, was dazu führte das Taresh auf dem Hosenboden landete, als er sich endlich wieder befreit hatte. Schnaufend griff er in den Teppich und vergab seine letzte Wut daran gut zwei Meter von diesem unter konstantem Fluchen unsanft heraus zu reißen.

Kraftlos sank Joker in mitten des Trümmerfeldes auf die Knie, vergrub sein heiß gewordenes Gesicht in seine rauen Hände – tief durchatmen. Es dauerte eine Weile bis der Elf wieder klar denken konnte und noch länger sowie eine halbe Flasche Vodka, bis er sich von dem Plan Gargari mit einer Kugel zu antworten als zu unprofessionell verabschiedete. Schließlich aber schickte er an ausgewählte Mitarbeiter der B.C.B eine kleine, bedeutende Nachricht: „Operation „Who Cares“ ist auf Eis – und ich brauch ein neues Büro – JK.“.

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Auf dem Datenschip den ein Kurrier am 7. Oktober im Gargarilagerhaus abgibt befindet sich folgende Nachricht:

Brandenburg, Tropical Islands Urlaubs Resort – Premium Lodges, 25.10.2073
//anrüchige Impression, lesen auf eigene Gefahr

Berlin, 29. Oktober 2073

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Es war ein beschissen regnerischer Abend, es war den ganzen Tag nicht hell gewesen und nun wurde es schnell dunkel. Der Berliner Herbst war noch nie schön gewesen. Soweit Taresh sich zurückerinnern konnte schaffte es keine andere Jahreszeit zuverlässig jedes Mal aufs neue die Trostlosigkeit und das Grau Berlins so zu betonen. Wenn es im Sommer regnete, dann kurz und heftig, doch heute Abend hatte es sich eingeregnet, seit einer guten Stunde schon tropfte es vom Himmel und es war unwahrscheinlich, dass es al zu bald aufhören würde.

Ein letzter Zug noch von der schwarzen Zigarette, dann warf Joker sie in das kleine Rinnsal am Straßenrand. Die Glut erlosch sofort und das Wasser trug den Stummel in den Abgrund des nächsten Gummideckels, wo er auf ewig in der Berliner Kloake verschwand.

Prioritäten setzten. Die Chummer würden die ersten Spähaktionen in Frankreich auch ohne ihn schaffen, der Straßensamurai war eher ein Mann fürs Planen oder fürs Grobe wenn es dann zur Sache ging, aber Informationen beschaffen, ausspähen und all der Kram war nie seine Stärke gewesen. Kenne deine Stärken. Jokers Stärke war nie die Faust gewesen, er stand in einer Kneipenschlägerei länger als die Meisten, zumindest länger als jeder Zivilist und die Meisten Ganger, aber es war nicht seine Stärke sich zu prügeln, nie gewesen.

Priorität setzten, Victors Anruf hatte Priorität gehabt: „Diese scheiß Ganger haben mit nem Colt bei mir rummgefummelt, ich zahl den kein müden Cent Joker.“. Der Altrocker war sowas wie der letzte Rest von Tareshs Familie, seiner Vergangenheit gewesen, das war jetzt erst einmal wichtiger als Frankreich. Kenne deine Stärken, der Elf zog aus den Holstern am Rücken zwei halbautomatische großkalibrige Pistolen. Er fummelte mit seinen Predators nicht herum, sowas tat kein Profi. Er Fummelte nur die Schalldämpfer heran, gar nicht so einfach wenn man dabei beide Waffen in den Händen hielt. Joker war schon immer ein Schütze gewesen, schon damals als ihn Harald das erste Mal mit auf den Schießstand nahm, die Hand um den Griff einer Waffe, den Finger am Abzug, der Geruch von explodierendem Schießpulver, das war seine Welt. Es fühlte sich natürlich an, richtig an. Joker kannte seine Stärke.

Ruhig stieg der Straßensamurai die Treppen des Altbaus hinauf. Die letzte Renovierung des Gebäudes am Rand von Friedrichshain war ein halbes Jahrhundert her gewesen, aber der Bau war solide, ein Generator brummte aus dem Innenhof und Mülltonnen standen am Straßenrand. Man konnte in Berlin auch ohne Probleme schlechter wohnen. Der Elf atmete tief durch vor der in die Jahre gekommenen Holztür. Es hatte nur zwei Telefonate gebraucht bis er von Bob erfuhr wer die Neulinge waren. Kinder SINloser Lohnsklaven aus dem Osten, ohne Perspektive, ohne Verbündete oder Plan vom Leben. Vor ein paar Jahren noch hätte Joker genauso enden können, aber die Dinge sind anders gekommen.

Von der anderen Seite der Tür drang schranziger Elfenrock, weder die Musik noch die Qualität der Boxen rechtfertigten den Versuch der Neu-Ganger, das ganze Haus mit ihrer Beschallung zu erfreuen. Joker rollte mit dem Kopf, seien Halswirbel knackten, ob er alt wurde. Welche Rolle spielte das jetzt. Sein in schwarzes Leder gehüllter Zeigefinger legte sich auf die Klingel – nichts passierte. Um zu klopfen Schlug er mit dem Griff seiner Waffe gegen das Holz der Tür, aber das dumpfe geräusch verlor sich im lauten Schlagzeugsolo das aus der Wohnung drang. Kurz spielte Taresh mit dem Gedanken seine Chavelier zu ziehen und das Schloss einfach Heraus zu schießen, dann aber entschloss er sich doch zuerst den Knauf der Tür zu greifen und leicht zu drehen.

Es war offen. Joker seufzte angesichts solcher Dilettanten, anderseits konnte er sich auch nicht vorstellen, dass die R.E.F. jemals das Lagerhaus abgeschlossen hätte. Mit großen Schritten stieg er über die scharmlosen Müllberge in dem langen Flur. Das laute knarren der Badezimemrtür die Joker zuerst öffnete verklang in der schlechten Musik genau wie das leise Ploppen als das Batteriepack die Predator durch den Schalldämpfer verließ. Der Ork auf dem weißen Thron schaute noch erstaunlich dümmlich bevor er zuckend in sich zusammensackte und mit den Hintern in die Kloschüssel rutschte.

Küche und Schlafzimmer schienen leer zu sein und Joker fragte sich ernsthaft ob die drei Menschen und der Elf im Wohnzimmer gerade tanzten oder an drogenassoziierten epileptischen Anfällen litten. Letzteres hätte zumindest erklärt warum es fast eine halbe Minute dauerte, bis sie den Straßensamurai bemerkten, der in seinem abgewrackten aber gepanzertem Mantel seelenruhig in der Tür stand. Sie verhielten sich wie Rudeltiere, einer stieß den anderen an, alle sahen zu Joker und dann ratlos zu einem der Menschen.

Mehr wollte Joker gar nicht wissen. Aus der Hüfte heraus drückte er ab, drei Batteriepaks landeten in drei Gesichtern, drei Gesichter auf dem Dielenboden. Der vierte im Bunde, der junge, Anführer mit dem schlecht grün gefärbten Haar stolperte zu dem Coachtisch auf dem ein einfacher Colt Revolver lag. Joker ließ seine Halbautomatischen los und die Gummizüge an den Griffen zogen die Waffen noch im Fall wieder in Richtung des Gürtels. Als der Aushilfsgangboss den Colt ergriffen hatte und hochriss zuckte durch Jockers Kopf bereits der Schießbefehl an den gezogenen extraschweren Chavelier Arms Sheriff Revolver. Der laute Knall übertönte kurz die schlechte Musik und der grünhaarige Anfänger ließ erschrocken die Waffe fallen, die in seiner Hand explodierte als das Hochleistungsgeschoss einschlug.

Mit versteinerter Miene richtete Taresh den rauchenden Lauf auf den Ganger während die nächste Kammer der Trommel einrastete. Unbeholfen stolperte der Unbewaffnete zurück bis er die feuchte Zimmerwand in seinem Rücken spürte. „~Das~ ist ein Revolver.“, Joker war kurz stolz auf diesen unglaublichen coolen Satz gewesen, bis ihm bewusst wurde, dass der fragende Blick seines Gegenübers wohl bedeutete, nichts verstanden zu haben. Noch immer schranzte die schlechte Musik ungestraft vor sich hin, erst als Joker zwei Schritt vorsichtig auf den Ghettoblaster zuging und diesem einen kräftigen Tritt mit seinen schweren, schwarzen und für einen Punk zu neuen und polierten Kampfstiefeln gab, folgte erlösende Stille.

„Alter… Was willst du!“, stammelte der Ganger zusammen, seinen letzten Mut zusammenkratzend. „Dein Kommlink.“ Der Straßensamurai hielt die linke Hand auf während er mit dem Revolver in der anderen noch auf den Grünhaarigen zielte. In unzweifelhaft echter Verwirrung darüber, das ein Profikiller in eine Abwrackwohnung stürmte um einem Kleinkriminellen ein Kommlink zu klauen stotterte dieser nur:„Wa.. Was?...“.

„Dein Kommlink.“, wiederholte Joker nur trocken und nach kurzen Suchen legten ihm zitternde Finger ein schwarzes Einsteiegermodell von Sony in die Hand. Taresh behielt das Kommlink in der Hand und trat, über ein ohnmächtigen Elf steigend, ein paar Schritte zurück. Mit ausdrucklosem Ton meinte er zu dem ungewaschen Menschen: „Zieh dich aus“, obgleich dieser mit seiner schiefen Nase und den Kinnflausen so gar nicht in sein übliches Beuteschema passte.

Es brauchte einen weiteren lauten Knall, eine Hochleistungskugel die ins splitternde Mauerwerk einschlug bevor der Gangster eilig und unbeholfen begann sich seiner Kleidung zu entledigen. Der Straßensamurai griff derweil in seine Manteltasche und zog aus dieser, in einer Plastikhülle eingeschweißt, ein kleines rosafarbenes Damenhöschen mit Spitze und Schleifschen - frisch aus dem Stufferautomat. Auch wenn er wieder verwirrte Blicke erntete, so brauchte er für die Aufforderung die Reizwäsche an zu ziehen nicht den Nachdruck seines Revolvers.

Joker hielt beide Arme ausgestreckt, zielte rechts mit Lauf des Revolvers, links mit der Kamera des Kommlinks. „Jetzt sag: Ich war ein böser Gangster, aber jetzt bin ich eine brave kleine Hure die ein fetten Troll such der sie zureitet.“. Die Mimik des Grünhaarigen spielte eine breite Palette von Fassungslosigkeit, Ekel, Wut und Furcht wieder und Taresh musste eine weitere der teuren Kugel ins Mauerwerk verschwenden um den Gepeinigten zu motivieren den Satz zu stammeln.

Einige Momente schob Joker Dateien von dem Kommlink in seiner Hand auf ein offenes Wegwerfkommlink in seiner Manteltasche, änderte dann das Icon der Startseite zum Logo von B.C.B. Security und warf das Sonygerät wieder seinem Besitzer zu.
„Die Sache ist ganz einfach:“, weihte er den Menschen schließlich ein, „Du hast im falschen Revier gewildert. Wenn du oder deine Dödel euch nochmal in einen meiner Clubs sehen lasst geht unser kleines Homevideo an all deine Kontakte. Wenn du fernbleibst passiert Garnichts. Deine Kumpel wachen in zehn bis fünfzehn Minuten wieder auf, du solltest dich also schnell wieder umziehen und entweder auch ohnmächtig stellen oder ihn irgend ne coole Story auftischen wie du mich vertrieben hast.“ Joker wartete noch auf das zögerliche Nicken des Kleinkriminellen bevor er sich mit einem „Gut – das wars.“ Umdrehte und wieder ins verregnete Berlin verschwand.

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ADL, A2, 30. Oktober 2073

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Die Wärme an seinen Schenkeln, die Vibration am ganzen Körper, die Kontrolle über das schlanke Teil zwischen seinen Beinen und das Leder auf seiner Haut – Jokers liebte dieses Gefühl. Sein Herz schlug schnell und angestrengt, Adrenalin schoss durch seine Adern und dennoch fühlte er sich von einer konzentrierten Ruhe erfüllt. Mit 180 Stundenkilometer legte er sich in die langgezogene Kurve der A2. Sein Plan war durch den Pott und Belgien die SOX im Norden zu umfahren. Wieder auf der Geraden zog er den Beschleunigungsgriff durch und die digitale Geschwindigkeitsanzeige in seiner AR sprengte rasch wieder die 200.

Mit Rückenwind und Bergab könnte er mit der BMW vielleicht sogar die dreihunderter Marke sprengen, aber dafür war ihm das Baby noch nicht vertraut genug, für so einen Ritt musste er seine Maschiene absolut Beherrschen. Bei solchen Geschwindigkeiten reichte der kleinste Kontrollverlust um als Straßenmatsch zu enden - doch gerade deswegen die Kontrolle dabei zu haben machte den Reiz aus. Joker gierte nach Kontrolle, auf der Straße, im Büro, im Bett, auf einem Run – je mehr Kontrolle er über eine Situation hatte, umso wohler und sicherer, umso besser fühlte er sich. Das Gefühl von Scharm, das er noch aus seinen Punkzeiten für dieses Machtbestreben hatte, hatte er irgendwo zwischen der B.C.B. und einer SM-Party verloren. Manche führen, andre folgen – So funktionierte die Welt, so funktionierte jedes gute Rudel. Im Moment waren er und seine Rennmaschine das Rudel und sie funktionierten gut, dem aufgemotzten Honda Sportwagen und den beiden Prolls in ihm zeigte Taresh nur noch die Rücklichter, zog mit exakt 213 Stundenkilometern an ihnen vorbei.

Motoradfahren hatte gewisse Parallelen zu einem Run. Je schneller man sein möchte, des so riskanter wird es. Um es Heil zu überstehen brauchte man gute Ausrüstung und ein gute Beziehung zu seiner Maschine oder eben seinen Chummern. Mann musste bei jedem Run Herr der Lage sein, die Situation fest im Griff haben, sie beherrschen – wenn man los lässt, wenn man zulässt das die Situationen einen beherrscht, ist das als wenn man beim Motoradfahren die Hände vom Lenker nimmt, absolut tödlich.

Leider aber waren Chummer, wenn überhaupt, weitaus schwerer zu kontrollieren als ein gutes Bike. Kitty war ein gutes Beispiel, Joker wusste dass sie ihm vertraute und Grundsätzlich gesehen vertraute er auch ihr, aber dennoch hatte sie ihren eigenen Kopf, den durchzusetzen ihr wichtiger war, als zum Wohl eines Runs eine Anweisung zu befolgen, die sie nicht verstand oder mochte. Mit Roger hingegen war es genau umgedreht, er schien über Anweisungen nie wirklich oder zumindest nicht vorher nachzudenken, wenn man ihm sagte spring dann sprang er auch und das war gut so, das machte ihn in einem Run zu einem unverzichtbar verlässlichem Partner. Auf der anderen Seite aber war er zu verschlossen und eigenbrötlerisch, als das Taresh ihm wirklich vertrauen würde, er wäre nicht im geringsten überrascht von dem Hasenfreak an den nächstbesten Vory verkauft zu werden, etwas das er sich bei Kitty niemals hätte vorstellen können.

Dana würde ihn auch nie Verraten, aber das lag wohl eher daran, dass sie ein zu ethischer Mensch war um überhaupt jemanden den sie näher kennt direkt zu verraten. Warum Joker so dachte, wusste er selber kaum, gab es doch nicht viel mehr, das er von Danas Leben kannte, als von Rogers. Überhaupt kannte er seine Chummer nicht gut genug, gerade die neuen beiden Spaceboy und PaulE. Der eine sah gut aus und konnte tanzen und der andere konnte gut schrauben und dumme Witze reißen, sprach alles nicht gegen sie, war aber eigentlich zu wenig um mit ihnen solch große Runs zu machen.

Er versuchte zwar immer wieder durch Aktionen wie Tropical Islands Sympathie und Vertrauen aufzubauen, aber irgendwie Trug diese Saat nur spärliche Früchte. Nur Spitzzahn schien sich bei solchen Aktionen richtig wohl zu fühlen, aber um seine Folgsam- und Verlässlichkeit musste Joker sich auch nicht sorgen. Die beiden Runner waren zu sehr finanziell und rechtlich voneinander Abhängig und beide nicht dumm genug um den anderen über die Klinge springen zu lassen. Außerdem hatte zwischen beiden schon immer eine Grundsympathie bestanden, schon in den ersten Tagen als sie sich noch beim Döner trafen und Fahrräder klauten.

Joker war gespannt darauf wie die Truppe sich in Frankreich in den Letzten drei Tagen gemacht hatte. Keiler war im Rudel der Jungwolf der Jokers Alphastellung immer wieder herausforderte. Aber der Ork war zu fähig, verlässlich und gut ausgerüstet um auf ihn zu verzichten. Also wollte Joker ihm lieber ab und zu das Kommando überlassen um ihn bei Laune zu halten, mal sehen zu welchen Ergebnissen er die Chummer geführt hatte.

Unwillkürlich hatte Taresh Kaffeedurst als er an 404 dachte. Ob Soy-Kaffee-Sucht ansteckend war? Unwahrscheinlich, dennoch wollte er den Hacker nicht zu nahe an sich heranlassen. Er war zu politisch, hatte die Falschen Ideale, nicht dass Joker die Ethik von Files Idealen störte, aber es waren diese Art von Idealen die Runner unprofessionell werden ließen. Solche Ideale für die man seine Chummer hinterging und fallen ließ. Gewissensentscheidungen – Joker schiss auf Gewissensentscheidungen - Shadowrunner sollten ihre Ideale, ihr Gewissen zu Hause lassen wo es hingehört. Job ist Job und Schnaps ist Schnaps.

Verdammter Hacker, Joker wollte wirklich einen Kaffee. Die nächste Raststätte war wohl seine, fünf Minuten Pause, er war eh gut in der Zeit, in gut drei Stunden wollte er da sein, nur noch knapp 600 Kilometer bis in die Normandie.

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Brest, 31. Oktober 2073

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Es war schon spät, viele schliefen, doch ein Elf lag noch wach auf seinem Feldbett. Der blasse, von dicken Narben und bunten Tattoos gleichermaßen verzierte Körper wurde nur durch schlichte aber knappe Shorts bedeckt. Sei es nun so dank seiner Stellung als Geschäftsführer oder dem virtuellen Büro, aber Joker fand gefallen einmal ohne kugelhemmende Rheingold Seide auf seiner Haut zu arbeiten. Irgendwie hatte er sich sehr gewandelt in den letzten Monaten. Er hat viel von dem was er früher verlachte selbst angenommen, ist Stück für Stück vom Punk zum Geschäftsmann geworden.

Aber er hasste sich nicht dafür, im Gegenteil, es erfüllte ihn mit stolz. Taresh Wertheim hatte Verantwortung für fast dreißig Männer und Frauen deren Kühlschränke durch seine Gehaltschecks gefüllt wurden. Mit (lediglich der kleinen Hilfe von einem großen Haufen blutigem Geld) hatte er quasi aus dem nichts ein kleines, funktionierendes Unternehmen aufgebaut.

Doch solch ein Unternehmen bringt Verpflichtungen und nicht alle kann man zuhause lassen kann. So tippte der Elf auf einem Faltbett in einem Safehouse in Frankreich auf der orangen AR Tastatur die sein Kommlink in den Ether warf einen juristisch korrekt wirkenden Wiederruf auf eine fehlerhaft ausgelöste Bestellung. Yve machte eigentlich wenig Fehler, aber 500 statt 50 Flaschen Vodka war nun wirklich übertrieben. „Wir freuen uns auch in Zukunft mit ihnen zusammen zu arbeiten.“, der kleine Nebensatz sollte reichen um dem Händler bewusst zu machen, dass sich das 7sins auch einen anderen Lieferanten suchen kann. Joker sendete ab und Lehnte sich zurück, seine Augen Waren geschlossen, sein Cyberauge deaktivierte sich nach einem kurzen Moment und die Gedanken des Straßensamurais schweiften in einem Unwillen zu schlafen ziellos umher.

Mit Yve hatte er einen guten Fang gemacht. Nicht nur das er ihn tagelang hätte anstarren und noch ganz andere Dinge machen können, nein wenn er nicht gerade 500 Flaschen Schnaps bestellte machte er einen ehrvorragenden Job und dazu zählten nicht nur die preisverdächtigen Coacktails. Joker wusste nicht ganz was das junge Talent in seinem Club hielt, die Bezahlung war zwar gut für Ostberlin aber auch nur dafür und Promis oder Preise gab es auch keine, vielleicht hatte der Elf sich wirklich in das Flair der sieben Sünden verliebt.

Aber der blonde Barkeeper war nicht der einzige Glücksgriff. Ohne Panda wären der Club und die Sicherheitsfirmer wahrscheinlich schon längst pleite gegangen. Anfangs wollte Taresh dem gebrochenen alten Mann nur helfen, inzwischen aber inzwischen half ihm der Altrunner mehr als umgedreht. Nicht nur indem er Joker vertrat wenn der in der Normandie oder sonst wo rumgurkte und hier und da ein paar alte Tricks verriet, auch war es wohl der Traum eines jeden Streetsams seinen eigenen Schieber im Keller zu haben. Doch Joker wusste, dass den alten Mann viel, am ehesten wohl die Sache mit seiner Tochter, bedrückte. Mann wie gern hätte er Dreackhead erwischt ihn gefesselt und geknebelt allein mit Panda und einem rostigem Löffel gelassen.

In dem Versuch die Gedanken an die Sache los zu werden drehte er sich um und ging seine Leistungsträger weiter durch. Wenn er eine Top Drei wählen müsste – Spitzzahn als Partner einmal außen vor lassend – dann käme er wohl auch um Lady nicht herum. Mann wenn sie weniger Titten und mehr Eier hätte wäre da sicher schon was gegangen. Ihr Pragmatismus, die zynische Professionalität und ihre selbstsichere, nicht mit Ihren Reizen sparende Art hatten auf ihren Chef eine gewisse – wenngleich wohlmöglich nur rein platonische – Anziehungskraft. Sie war anders als die Hacker die er sonst kannte. Dicke Teenager mit Acknefeldern als Gesicht und einem Realitätsverlust, abgehobene Pseudophilosophische Matrixschamanen oder pseudokommunistische Nerdtypen wie 404. Unwillkürlich schüttelte er sich. Ja er war dankbar für seine Lady, für sein Team. Ein beruhigender Gedanke zum einschlafen.

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Berlin, 7sins, 18.11.2073

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Schweißgebadet richtete sich Taresh schlagartig in seinem Bett auf. Der Hausknoten tauchte dem Raum augenblicklich in ein sanftes, blaues Licht. Seine zitternde Hand fuhr über den harten, dermal gepanzerten Elfenkörper. Fuck – wieder dieser Traum. Es war bei weitem nicht das erste Mal das Joker verletzt, angeschossen oder verprügelt worden war. So heftig aber, war es bisher noch nie gewesen und verdammt er hatte ja nicht einmal wirkliche Wunden davon getragen.

Dana hatte irgendetwas von inneren Blutungen gefaselt, der Elf wusste nur, dass es sich angefühlt hatte, als hätte er erst ein Sack Nägel geschluckt und dann mit einem Pott kochender Säure nachgespült. Es war unheimlich, wie Magie, keine Kugel, kein Rückstoß, kein Schießpulvergeruch – warum durfte sich so ein Ding überhaupt Gewehr nennen. Mühsam stand Joker auf und tappste in sein Badezimmer, die Erinnerungen an die Schmerzen war unangenehm präsent. In der Arkologie und im U-Boot danach hatte er sich zusammengerissen, hatte den starken Mann gespielt. Doch er war bei weitem weniger zäh und stark als er es andere glauben lassen wollte.

Mit den Händen zu einer Schale geformt schleuderte er sich kühles Nass in sein verschwitztes Gesicht, atmete tief durch und starrte dann sein tropfendes Konterfei im Spiegel an. Der Elf wirkte müde und kaputt und das nicht weil er Nachts um Drei aus einem Alptraum erwacht war. Es war alles zu viel geworden, die Firmer, der Club, das Studium, die Verhandlungen mit den Vory und Krupp und dann noch solche Runs – Joker fühlte sich wie ein Narr, der bemerkte, dass die Bälle die er jonglierte ihm aus den Händen glitten. Wenn er nicht alle verlieren wollte, dann musste er ein paar kontrolliert ablegen. Seine Schmalen Finger firmelten aus einer kleinen Dosen zwei Schmerztabletten. Er wusste seine Schmerzen waren nicht real, aber das war ihm ziemlich egal im Moment, ohne Wasser schluckte er die beiden Pillen herunter.

Taresh trocknete sein Gesicht mit einem weich gespülten, aromaversetzen Handtuch und warf es danach achtlos auf dem Boden, Wäscheservice machte Gedankenlos, aber darüber dachte er nicht nach. Kraftlos schleifte der Elf seinen Körper in die von der matten, automatischen Nachtbeleuchtung schwach erhellten Küche. Es hätte auch stockfinster sein können, Jokers Bewegungsabläufe waren eher Intuitive, er öffnete den Tiefkühler und griff zielsicher nach der Vodkaflasche, öffnete sie mit einer Hand während die andere eine Zigarette aus der Packung auf dem Küchentisch rausfischte und mit einem Billigfeuerzeug entzündete. Auf ein Glas verzichtete er, nicht um Abwasch aber die Bewegung es herauszuholen und vollzuschenken zu sparen.

Es brauchte einige Züge, einige Schlucke um das Gefühl schwelender Panik und Ohnmacht wieder zu beruhigen oder zumindest zu betäuben. Eigentlich müsste Joker sich freuen, er war mit dem Leben davon gekommen, das Team hat wesentlich besser zusammengearbeitet als er erwartet hatte, Kitty hat sich viel disziplinierter als sonst verhalten, Keiler hatte ihn aus der Scheiße gezogen und selbst 404 hat ihn durch verlässliches, professionelles Arbeiten überrascht. Ganz zu schweigen von Dana die Jokers gespielte Gleichgültigkeit gegenüber seinem eigenen Gesundheitszustand ignoriert und ihm vermutlich so das Leben gerettet hatte. Den einzigen ernsten Vorwurf den er hätte Vorbringen können war sich selbst gegenüber. Er hätte keinen Schuss, nicht aus einer ungedämpften Waffe, abgeben dürfen.

Aber genau dieses nervöse, panische Verhalten war symptomatisch für seine Probleme, für seine blank liegenden Nerven. Immer wieder entglitten ihm Situationen. Tareshs Gedanken kreisten um die lange Liste seines Versagens. Er fragte sich noch immer warum er Yoshi damals rausgeworfen hatte, vielleicht war er einfach kein Beziehungsmensch. Bei Raven hatte er es ja mit seiner forschen Art sogar so weit übertrieben, das er das Team verließ - nicht mal auf Geburstagsglückwünsche antwortete er noch. Die einzigen Kerle, die ein paar schöne Stunden bei ihm blieben, erhielten dafür ein stattliches Schmerzensgeld. Der Job lief auch kaum besser, die ganze Planung, Vorarbeit, die PR-Ausgaben – alles für die Katz weil er ein paar Vory nicht hatte überzeugen können. Joker war nicht mal ein besonders guter Runner. Er hatte Panda versprochen sich um Dreakhead zu kümmern und dabei voll versagt. Aber was soll man schon von einem Punk erwarten der nicht einmal seine eigene Mutter hatte beschützen können. Seine Mama war tot, gestorben als drogensüchtige Nutte.

Voller Wut flog die nahezu leere Vodkaflasche queer durch den Raum, zerschellte laut auf den Boden. Eine fette Ratte quietschte erschrocken auf und verkroch sich raschelnd in ihrem künstlichen Bau ehe das schallgeschützte Apartment wieder von der Stille der Nacht erfüllt wurde.

Joker war müde, er konnte nicht mehr. Er lies die glühende Zigarette im Ascher liegen ohne sie aus zu drücken und zog seinen schlaffen Körper zurück in das kalte, leere Bett. Lies sich in die weiche Matratze fallen und glaubte die ganze Nacht wach hier liegen zu würden. Als er die Lieder schloss schlief er, Alkohol und Schmerzmittel sei es gedankt, sofort ein, fest und tief wie ein Stein.

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Calm Paradise, Indonesien, Januar 2074

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Helle Sonnenstrahlen funkelten im azurblauen Meer, das sich in sanften Wellen auf dem flachen Stand aus feinem, weißen Sand verlor. Nur eine leichte Brise kam von der See, gerade stark genug damit die Palmenblätter sacht im Wind wiegten und die achtunddreißig Grad im Schatten angenehm werden ließen. Die Kulisse hätte wohl in einer High end VR Simulation kaum perfekter sein können. Taresh Wertheim lag in einer ergonomischen Liege aus Hölzern, deren Wert er nicht zu schätzen wusste. Er hatte keinen Blick für die kleinen aber preisintensiven Details des Strandes. Seine Runnersinne hatten nur bemerkt, dass der Papagei auf der größten Palme keine Wärmesignatur hatte und wohl eine Überwachungsdrohne war, die genauso zum Sicherheitssystem gehörte wie die scheinbar landestypischen Fischerboote die mit kräftigen Metas beladen Tag und Nacht um die indonesische Insel schipperten.

Die Insel „Calm Paradise“ war exterritoriales Gebiet, gehörte zum Drachen und wurde vom hauseigenem Tourismuskonzern Fernweh betrieben. Auf ihr standen weit voneinander entfernt zwölf Bungalows, der kleinste davon mit einhundertzwanzig Quadratmetern Wohnfläche und alle ausgestattet auf dem Niveau eines Luxushotels. Calm Paradise beherbergte im Moment achtundzwanzig Gäste von denen dreiundzwanzig zu Saeder gehörten. Hauptsächlich versteckt in einer Miniakrologie unter einem Künstlichen Hügel im Zentrum arbeiten nahezu unsichtbar 134 Köche, Techniker, Zimmermädchen, Wäscher, Verwalter und Sicherheitsläute zum Wohl dieser Gäste. Die Insel hatte für ihre Gäste keinerlei Diskothek, Theater, Bar, Restaurant oder sonstiges Entertainmentprogramm, der Flughafen war auf einer entfernten Nachbarinsel und nur eine Fähre diente zur Versorgung – wer hier Buchte suchte die Illusion von Ruhe und Abgeschiedenheit und nichts sollte diesen Schein trügen.

Die Reiseberaterin in dem exklusiven tempelhofer Reisebüro war anfangs etwas spitzzüngig als der Elf mit dem roten Iro und den Pircings zu ihr kam, doch das änderte sich schlagartig, als Joker einen Dreizigtausend Euro Credstick auf den Tisch legte. Frisches, legales Geld aus dem Jahresabschluss. Prime schien seine Urlaubspläne zu kennen und dulden aber behielt ihm Auge. Seine Reise wurde nicht behindert, aber von keinem anderer First Class Passagier wurden sämtliche Koffer geöffnet und der Inhalt einzeln durchleuchtet, kein anderer wurde zur Abtastung gebeten und durch einen Körperscanner geschleust. Joker war dankbar auf seine Infiltrator verzichtet zu haben. Anscheinend schien seine Urlaubssicherheit auch so gewährleistet.

Nun lag er am Traumstand, einer der Jungs, deren vier landestypischen Namen der Straßensamurai sich eh nicht hatte merken können, ging dazu über seine Fußmassage mit den pink geschminkten Lippen statt seinen schmalen Fingern weiterzuführen. Taresh genoss und nahm ein Schluck von bunten, kühlen Cocktail, dem ihn ein anderer der jungen (vermeintlichen) Indonesier gerade gebracht hatte und sich danach neben die Liege nieder ließ, um dort auf die laszivste, mögliche Art und Weise langsam ein rotes, zylinderförmiges Wassereis zu lutschen. Die anderen Beiden, mit blonden, offensichtlich gefärbten Haaren, spielten im Sand locker Volleyball, dank ihrer hellen Badehosen, die aus mehr Naht als Stoff bestanden, wohl auch eher zu Jokers als ihrer eigenen Unterhaltung.

Der Elf hatte sie in den vergangenen drei Tagen schon ausgiebig beansprucht und genossen. Joker musste zwar bei der Buchung ein paar sehr unkonventionelle Fragen beantworten, aber dafür entsprachen die Vier nun nicht nur äußerlich voll und ganz seinen Vorstellungen. Dennoch überwog langsam der Drang nach ein wenig Ruhe und Entspannung. Er schloss die Lieder, wenngleich er für Schlaf zu erholt war.

Die letzten beiden Monate waren ereignisreich gewesen. Nach Frankreich war er zuerst in ein tiefes depressives Loch gefallen, Danas überraschender Ausstieg hat es nicht einfacher gemacht. Auch wenn er es niemanden, erst recht keiner treuen Kameradin, verübelt hätte ein normales, sicheres Leben den Schatten vor zu ziehen. Es war Taresh lieber, sie würde im Kampf nicht mehr bei ihm sein, als sie im Kampf zu verlieren. Vor Allem aber hatte die Entscheidung der Sanitäterin ihn nachdenklich gemacht, wie er sein Leben verbrachte und welche Ziele er verfolgte.

Joker wusste er war ein Straßensamurai. Daran änderte auch weder Frankreich, die Firmer, seine depressiven Phasen noch indonesische Paradiese etwas. Er brauchte das Adrenalin, er brauchte die tödliche Gefahr die Anmerkung durch seine Chummer und in Form eines dicken Credsticks am Ende. Runnen war wie Sex, nur das er dafür nicht bezahlen musste sondern selber kassierte. Joker wusste aber auch, dass jeder mal einen Gang runter schalten musste. Er hatte seinen Schiebern gesteckt bis nach seinem geplanten Eingriff nicht zur Verfügung zu stehen. Er wollte sich im Weihnachtsgeschäft mehr um das 7sins kümmern und auch sein Studium nicht vernachlässigen. Danach –sprich gerade jetzt- stand erst einmal an eine kurze Auszeit von Allem nehmen.

Das Weihnachts- und Sylvestergeschäft lief außergewöhnlich gut. Zwar waren die Ausgaben für Dekoration, Bands, Tänzer, Werbung und Extras im Vorfeld so hoch gewesen, das Taresh beinahe kalte Füße bekommen hätte, doch am Ende hatte es sich mehr als gerechnet. Nachdem weitaus mehr Leute über Persona 2.0 ihr kommen zu der „Drei-Tage-durch-Weihnachts-Party“ angekündigt hatten als überhaupt reinpassten, hatte Joker kurzerhand die Eintrittspreise verdreifacht, ein paar mehr Tickets zur Werbung verlost und trotzdem war noch an allen Tagen eine riesen Schlange vor dem Laden. Das Beste an der Party waren dann auch noch neben seinem „Böser Weihnachtsmann“ Kostüm seine dazu passenden Weihnachtselfen.

Sylvester lief ähnlich ab. Die „Trash und Schlager around the World“ Party spielte alles, von Trollmetal über Klassiker des letzten Jahrhunderts bis hin zu Mad Freedom. Die Leute bewiesen so einem ausgefeilt schlechten Geschmack, dass selbst Joker in seiner zweitklassigen Galauniform eines russischen Offiziers aus den Eurokriegen kaum auffiel. Als besondere Unterhaltung und um den Verkauf von Sekt und Champagner an zu kurbeln wurde von achtzehn Uhr abends bis sechs Uhr des Neujahrsmorgens insgesamt zwölf Mal Sylvester gefeiert. Jedes Mal mir entsprechenden AR live Übertragungen aus Großstädten der entsprechenden Zeitzone, die gerade den Jahreswechsel zelebrierte.

Im Februar wäre dann der Eingriff, dank VR im Tank würde er weiterarbeiten und studieren können, vielleicht sogar mehr als sonst durch fehlende Ablenkung. Danach sollte ihm Uni und Büro um ein vielfaches einfacher fallen, in diese Gewissheit hüllten ihn zumindest die bunten Werbebotschaften denen er sich ergeben hatte. Außerdem würde er so nochmals ein wenig Zeit mit Dana verbringen, in Erfahrung bringen wie es ihr geht und was sie nun treibt.

Kurz zuckte der Elf mit den Zehen, eine Zunge kitzelte ihn. Aber er war jetzt wirklich nicht in Stimmung, selbst ein Joker ist irgendwann satt. Stattdessen griff er sein Hauptkommlink aus der Tasche seiner weiten, knielangen Hose und rief seine Privaten Kontobewegungen auf. Er sotierte die Abrechnungen seiner Weihnachtseinkäufe.

Da war der schwarze, stabile Gehstock mit dessen oberes Ende eine Weiße Kobra aus echtem Elfenbein Zierte, 1200€ für Spitzzahn, er wollte es erst als geschäftliches Werbegeschenk abrechnen, bis ihm die Illegalität des Objektes in den Sinn kam. Er fand, es passte zu der eleganten, herrschaftlichen Art des Schamanen.

Keiler hatte eine hellbraune Echtlederjacke mit beigen Pelzkragen für 600 Eier gekauft, genauso eine wie sie die Flieger des letzten Jahrhunderts trugen. Das ideale Kleidungsstück für frisch gebackene Piloten. Joker hatte ihm bei der Übergabe auch gesteckt, dass er sich selbst einen Fallschirm zugelegt hatte. Nach dem Urlaub wollten sie ein paar Sprünge versuchen.

Für Kitty was zu finden viel ihm schwer. Er hatte überlegt etwas für ihre Köter zu kaufen, aber mit denen kannte er sich nicht gut genug aus. Für ein Designerkleid war er nicht Mutig genug was ihren Geschmack und ihre Größe betraf und Parfüm war ihm zu mickrig. Am Ende wurde es etwas für sie und John zusammen. Das Mecklenburger Seen Hotel hatte ihm zweieinhalb riesen für das lange Luxus Wellnesswochenende abgezogen.

Den Mechaniker, PaulE, kannte er noch nicht gut genug so wurde es am Ende nur eine Gute Flasche Vodka und Autoteilehändlergutschein für 200 € die er ihm zusandte.

Mit dem Gedanken an eine bestimmte Diskussion in Frankreich investierte er für Spaceboy ebenfalls in einen Gutschein, ein Pharo Abend im Artimes, eines der ältesten und besten Berliner Bordelle, bekannt nicht nur für den verschwenderischen Luxus sondern auch für die mannigfaltige Auswahl. Sechshundert Ökken hatte der Schuppen ihn Dafür abgezogen.

Für Dana hat er einen Riesen in Ihre Stiftung gespendet. Es tat Joker zwar weh aber er war sich sicher, dass es das war, was sie am ehesten freuen würde. Sie schien sich nie viel aus Luxus oder persönlichem Eigentum zu machen.

Das galt wohl auch für 404 und im vollen Bewusstsein um die Spitze die dahintersteckte hatte er Lady acht Hunderter zugesteckt, damit sie ihm ein paar trainingsstunden im Matrixkampf gab. Er wusste noch gar nicht wie der Hacker reagiert hatte.

Auch dem Hasen hatte er was ziemlich praktisches geschenkt. Einen Riesen hat ihm die Jahresmitgliedschaft in dem Troll- und SURGE-geeignetem Fitnessstudio gekostet. Ihre Laufbänder sollten bis zu 80 Stundenkilometer machen sagten sie – soll er sich mal austoben.

Für Lady, Panda und Yve hatte er sich eine Teambildene Maßnahme ausgedacht, sobald er wiederkäme würden die drei die Lightversion seines Urlaubes im Tropical Island haben. Fünf Tage für insgesamt 4000 Euro.

Alles zusammen hatte sein Konto Ziemlich belastet. Jeder Finanzberater hätte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen und Taresh Wertheim unbedingt zu mehr Disziplin, zu strengerem Sparen geraten. Aber Joker war ein Runner und Runner sparten höchsten für Ausrüstung – alles andere lohnte sich in so einem Geschäft nicht. Ja der Straßensamurai lebte im hier und jetzt.

Und er genoss dieses Hier und jetzt. Er lies das Kommlink wieder in der Hosentasche verschwinden und sah in die hellbraunen Augen des jungen Mannes neben ihn. Sein Eis war alle. Vielleicht war Joker doch noch nicht satt, ja er lebte im hier und jetzt.

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28.02.2074 Berlin, Eiswerder Klinik Schwarzes Kreuz

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Der Elf hatte kaum etwas davon mitbekommen, wie seine leblose Gestalt in dem Tank voll zähflüssiger türkisener Nährlösung schwebte. Unzählige Schläuche, Nadeln und Kabel schoben sich durch Haut und Köröffnungen in sein Inneres. Das übergroße Medizingerät kümmerte sich ums eine Ver- und Entsorgung, hielt ihm am Leben und überwachte all seine Vitalfunktionen, die es piepsend und blinkend auf Monitoren neben sich zur Schau stellte. Nicht zur Schau stellte es die Virtuelle Gedankenwelt des Patienten, nicht dass es jemand sehen wollte.

Nach Gay Playboymaenson 1-3 war von Spaceboys Gutschein kaum noch was übrig geblieben. Joker konnte nicht verleugnen das die Optionen, die Kontrolle, die schier grenzenlosen Möglichkeiten was Modifikation und Vorlieben anging, sowie die absolute Hingabe der virtuellen Jungs ihn schon gefielen, so sehr dass die Filter für die Nährflüssigkeit des Tanks auf Hochtouren liefen. Dennoch fehlte ihm etwas körperliches, kleine Fehler und Besonderheiten die nur Realität bot, es fehlte die Herausforderung und nicht zuletzt schmälerte das Wissen, dass alles nur Illusion war, das Erlebnis für den Elfen deutlich.

Außerhalb von virtuellen Sexparadiesen, investierte Taresh dann tatsächlich viel Zeit in Studium und Arbeit. Er hätte unterschrieben, dass ihm das Lernen und Rechnen mit der Zeit deutlich einfacher viel, wobei unklar war ob dies bereits an der Gentherapie oder eher dem Placebo-Effekt lag. Darüber hinaus aber verbrachte der Elf auch viel Zeit mit Schlaf, sei es aus Erschöpfung, oder weil er für den Heilungsprozess notwendig hineingeführt wurde. Vor allem nach der Entnahme der Dermalpanzerung, das Straffen seiner Muskeln und dem anbringen der neuen Dermalverkleidung litt sein Leib unter Wunden, die faktisch die gesamte Körperoberfläche und jede Muskelfaser betrafen. Man sah anfangs zwischen all den frischen Narben und aufgedunsenen, Hämatom übersäten Haut nichts von dem vermeintlich natürlicheren Aussehen der Dermalverkleidung. Ohne künstliches Koma war dieser Zustand kaum zu ertragen. Erst später als das gröbste verheilt war und man die Gentherapien begann, erlangte Taresh wieder das Bewusstsein.

Als gegen Ende des Monats die Veränderungen im Erbkode abgeschlossen, sowie die Wunden und Narben verheilt waren blieb nur junge, frische Haut übrig, frei von Blessuren aber auch all den bunten Tattoos die sie solange geziert hatten. Vier Wochen hatte alles gedauert, dann konnte Joker endlich aus dem Tank heraus, den Schleim Abduschen und dann ein paar Versuche vollziehen. Seine Beweglichkeit hatte deutlich zugenommen, in mehreren Übungen erreichte er gar den Maximalen Punktwert. Die Ergebnisse im IQ Test waren nun auch leicht überdurchschnittlich und in einer VR-gestützten Kampfsimulation in der er auf plötzliche Ereignisse mit Wiederstand oder Flucht reagieren musste blieb er in den Meisten Situationen vollkommen Standhaft. Einen letzten Abend blieb er noch zur Überwachung, erzählte Dana von dem was seit ihrem Ausstieg passiert war, seinem Urlaub und sonstigem und lauschte ihren Erzählungen von ihrem Köpenicker Ökotraum. Der Smalltalk war gelöster als sonst, ungewohnt locker, sei es nun wegen dem fehlenden Druck unter dem sie sich sonst trafen, oder lag es daran das der Elf wieder eine Mimik zeigte die Jahrelang von Panzerplatten versteckt war.

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8. & 9. März 2074, Berlin, F-hain, 7 Sins

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Der junge DJ hatte Joker einen dieser übergroßen Kopfhörer aufgesetzt, gemeint das müsse er sich unbedingt anhören. Tatsächlich gefiel Taresh das tiefe, schnelle Gestampfe das aus den kleinen Lautsprechern auf seine Ohren prasselte, zufrieden nickte er mit dem Kopf im Takt der Musik. Leider wusste der Unterhaltungskünstler nicht, dass seine Versuche den Chef des 7sins durch sein bauchfreies Top, die ansehnlichen Muskeln darunter und die gute Musik zu beeindrucken relativ belanglos waren. Joker kannte seine Stärken und Aufgaben. Er führte die Bücher, kümmerte sich um die Organisation, die Sicherheit des Ladens und schrie Leute zusammen wenn sie nicht das taten, wofür sie bezahlt wurden. Das Aussuchen der Künstler aber war Spitzzahns Ding, da hielt der Elf sich komplett raus und genoss so nur den zwecklosen Versuch ihn zu beindrucken.

Bevor er wieder zwischen Nebelschwaden und bunten Laserstrahlen auf die Tanzfläche verschwand, deutete Joker dem DJ noch nachher doch mit hinauf zu kommen. In der Zuckenden Masse beobachtete er ein junges, dürres Mädel mit rasierten Kopfseiten auf der Tanzfläche mehr oder minder taktvoll zucken. Sie sah der neuen Chumemrin nicht unähnlich, hätte glatt sie sein können wenn ihre Eltern nicht fürs Management von DeMeKo arbeiten und ihre dürre Figur von der Zeit auf der Straße statt dem Schlankwurm stammen würde. Der Straßensamurai wusste nicht, was er von Cut halten sollte – sie war neu, aber wenn Panda sie haben wollte hatte sie erst einmal eine Chance verdient.

Die Nacht war zu kurz, nichts aber was ein starker Kaffee und etwas Bewegung nicht hatte richten können. Joker stand auf seinem Laufband, anfangs hatte sein Körper gegen die frühe Anstrengung protestiert, doch der Elf brach seinen inneren Schweinehund entschlossen das Genick und zwang seinen verkaterten Leib zur Bewegung. Vielleicht hatte er es mit dem DJ übertrieben, es wäre sicherlich nett gewesen ihm zu sagen, dass Spitzzahn die Auftritte organisiert, spätestens nachdem er mit dem Gesicht in Jokers Schoß verschwunden war. Es wäre vielleicht auch anständiger gewesen ein Nein als Nein und nicht als Anlass zu verstehen, ihn mit dem Gürtel zu fesseln. Andererseits gab es dafür kein Anlass. Der Musiker hatte so getan, als wenn er auf Jokers machohaftes Gehabe stand, um bessere Auftritte zu bekommen und Joker hatte so getan als wäre er sich dessen nicht bewusst, als ob er darauf Einfluss hätte. Sie haben sich gegenseitig etwas vorgespielt, Joker war nur dreister und Stärker. Er hätte ihm ja sogar Frühstück gemacht, wenn er nicht gleich danach weggerannt wär.

Man gewinnt nur wenn man wagt, man hat nur, wenn man zulangt. Wer nett danebensteht wird leer ausgehen. In seinem Kopf spielte über das Headwarekommlink eine wahllose Zusammenstellung der altdeutschen Band Rammstein „Bin nie zufrieden. Es gibt kein Ziel, gibt kein genug, Gibt nie zuviel.“, sangen sie in sein Ohr. Der Elf wusste nicht wieviel oder lang er joggen wollte, er lief einfach das Laufband entlang, wie ein Hamster im Rad, ein Gleichnis das er sonst eher auf seinen Job beziehen würde. Für was oder wen er arbeitete war ihm selten selbst ganz genau klar. Es ging darum mehr zu haben, wofür oder ob man „mehr“ brauchte war mittlerweile zweitrangig, wenn nicht sogar belanglos geworden. Mehr Geld, Stärke, Macht zu haben war schon längst zum Selbstzweck geworden.

Joker rannte und seine Gedanken rasten. In seinen Kopf schallte zwischen E-Gitarren und Schlagzeug laut ein neuer Refrain,„Egal – erlaubt ist was gefällt, ich tu dir weh, tut mir nicht leid –es tut mir gut – wenn ihr schreit“,Taresh hatte sich für seine sadistisch-dominate Ader nie geschämt, er empfand es als natürlich, dass die Stärkeren mit den Schwächeren spielten. Die Konzerne taten es mit den Metas, der Staat mit seinen Bürgern, warum sollte ein starker Mann nicht mit seinen Geliebten spielen. Natürlich liebten Jokers Jungs ihn nicht, wer liebte schon einen abgewrackten Killer, aber sie liebten Jokers Credsticks. Geld verlieh einem Sterblichen in der sechsten Welt eine unbeschreibliche Macht. Geld kontrollierte die Massen, war der Motor der Zeit in der sie lebten. Natürlich war Geld nicht alles, aber Joker hatte auch die richtigen Freundschaften geschlossen, Chummer, Schieber, Krupp.

Dreakheadz war anders, verkroch sich mit den anderen Perversen vor Jokers festem Griff in Renrakus Arsch. Der kranke Spinner hatte all das Talent, all die Macht, die ihm gegeben war verwendet um sich an unschuldigen Mädchen zu vergehen, um sie zu ficken, zu töten und zu essen – wobei sich der Straßensamurai über die Reinfolge nicht sicher war. Dieser üble Zwerg war nur ein Schleimgefüllter Biosack voller kranker perverser Gedanken der seine Macht für nichts als seinen nächsten Erguss auf Kosten anderer Missbrauchte.

Immer schneller, immer stärker donnerten Jokers Füße auf das schwarze Laufband. Schweiß tropfte ihn in dicken Perlen von der glatten Stirn. Er wollte nicht aufgeben, er kannte das Ziel nicht, aber Aufgeben kam nicht in Frage, schneller noch. Durch sein Headwarekommlink hallte eine schranzige Stimme „Heute treff ich einen Herrn, der hat mich zum Fressen gern. Weiche Teile und auch harte stehen auf der Speisekarte.“ Macht wem Macht gebührt, schoss es durch den Elfenkopf. Joker war anders als Dreakheadz – war er das?

Mit einmal bogen sich die Seiten seines Sichtfeldes nach innen. Alles drehte sich, Joker verlor den Halt und der Notaus des Laufbandes half auch nichts mehr. Der Straßensamurai wurde ungebremst vom Sportgerät geworfen, versuchte sich im Flug zu drehen und schlug dann brutal seitlich auf das harte Paket auf. Seine Schulter schmerzte, sein Magen rebellierte, in seinem Kopf schrie Till Lindermann“Denn du bist, was du isst und ihr wisst, was es ist.“. Joker würgte, eine dünne, saure Mischung aus kaum verdautem Kaffee und Magensaft schoss die lange Speiseröhre hinauf. Nahezu ungebremst ergoss sich der ekelhafte Schwall aus dem Mund, quer über den Boden während ihn Lindermann verhöhnte: „Es ist mein Teil – nein. Mein Teil – nein. Denn das ist mein Teil – nein. Mein Teil – nein.“.

Obwohl Taresh es schaffte die Musikwiedergabe zu stoppen hallten die Worte in seinen Gedanken nach. Er spuckte nochmals aus, versuchte vergeblich das brennen in Mund und Rachen aus zu werfen. Versuchte vergeblich den Gedanken loszuwerden er sei in seinen Prinzipien Dreakhead gleich. Fast fünf Minuten blieb er nahezu regungslos auf dem Boden sitzen, versuchte zu eruieren was gerade geschehen war. War es der Ekel vor Dreakhead, vor ihm Selbst, die Überanstrengung oder einen Mischung aus allem? Seine Beine zitterten als er sich vorsichtig erhob, er füllte sich schwach, müde und ausgelaugt obwohl es noch früh am Morgen war. Er musste sich zusammenreißen. Vielleicht war er Gestern wirklich zu weit gegangen. Juristisch machte er sich wenig sorgen, er würde diesen Disc-Jockey in Grund und Boden klagen wenn er zum Sternschutz geht. Aber solche Gerüchte schaden dem Image des Clubs.

Taresh Wertheim zog sein Kommlink und tippte mit ungewohnt zittriger Hand eine verschlüsselte Nachricht auf den kleinen Touchscreen: „Spitzzahn, ich hab Mist gebaut, komm vorbei – jetzt.“

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14. März 2074, Berlin, 7sins

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„Happy Birthday to me,“ die Stimme die sang, war dazu nicht geeignet, sie klang kratzig, alt, nach zu viel Alkohol und Zigaretten. Joker traf weder Ton noch Melodie, ohne den markanten Text hätte man kaum erraten können, dass sich wiederholende Zeile ein Lied sein sollte. Als hätte man ihm das Rückgrat entfernt hang der Edelpunk in seinem Wohnzimmersessel. In der einen Hand ein schweres Glas mit einem traurig kleinen Rest überteuerten Vodka, in der anderen den glühenden Stummel dessen, was vor einer knappen Stunde noch eine prächtige Havanna Zigarre war. Eine Überraschungsparty hätte er nicht erwartet, er hätte auf jegliche Gratulation auch betont lässig genervt reagiert, aber dass garkeiner ihm gratulierte, war dann doch irritierend. Vielleicht lag es daran, dass wohl keiner seiner Chummer und Kollegen gedacht hätte, die Personalunterlagen sprachen von seinem echten Geburtsdatum.

„Happy Birthday,…“, summte der Elf wieder und verstummte dann auf einmal, starrte mit glasigen Augen ins Leere, er sah vor seinen Augen seine Mutter, wie sie strahlend Lachte in ihrer bunten Blümchen Synth-Kittelschürze, wie sie für Taresh die größte und leckerste Bubblegum-Soy-Sahnetorte der sechsten Welt hielt, mit einer funkensprühenden Wunderkerze oben drauf. Ihre liebliche Stimme sang Happy Birthy to you für ihren Kleinen. Das Herz des schlaksig gewachsenen siebenjährig raste vor Freude und Aufregung. Euphorisch sprang er auf und ab bis die Arme seiner Mutter ihn fingen und herzlich an ihren warmen Leib Pressten.

Über Jokers Wange rollte ein kleiner klarer Tropfen, er blinzelte und war allein in seinem geschmacklos teuer eingerichteten Wohnzimmer, selbst Uwe-Uwe schlief still den seligen Schlaf einer überfressenden Hausratte. Nichts von der einst so heilen Welt war geblieben. War es das was man Karma nannte, wenn du gierst, vergewaltigst und mordest, dann endest du elend und allein zwischen all deinem Luxus? Der Straßensamurai konnte verstehen welch süße Verführung in solch einfachen Wahrheiten lag. Aber er war nicht naiv genug für den Glauben an solch gänzlich unkausale Zusammenanhänge. Nein – wenn es er einsam und depressiv war dann nicht weil er es Verdient hatte sondern weil er sich Glück und Freude noch nicht Verdient hatte.

Er musste härter arbeiten, härter werden, härter sein. Entschlossen erstickte Joker das bittere Ende seiner Zigarre im Porzellanaschenbecher. Wenn die Sache mit Dreakhead vorbei ist, dann ist Schluss mit Gefälligkeiten, Probeaufträgen und Kleingangsteraufträgen. Gelobt sei was fett macht, vor allem was fette Beute macht.

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6. April 2074, Hamburg

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Was heißt hier, warum wir das machen? Warum schon – weil wir es können. Klar hat er den Anderen gesagt, es ginge gar nicht darum auf möglichst verrückte Art und Weise die Hamburger Partyszene auf zu mischen, Joker hatte ihnen detailliert dargelegt, wie wichtig diese Aktion für die Reputation des 7sins sei. Es brauchte aber keine herausragende Menschenkenntnis, um am breiten Grinsen des Elfens zu erkennen, worum es hier wirklich ging. Um Spaß, einen möglichst extravaganten Auftritt hin zu legen.

Eine grell orange Warnleuchte und ein aufpoppender Hinweis in der AR-kündigten das Öffnen der Frachttür von Keilers Flieger an. Joker stand auf und Begab sich zur kante des Flugzeuges, heftiger, kalter Wind drückte sich dem Elfen entgegen, und er war über die Isolation seines Wingsuits froh. Zuerst hatten sie über Formationsflüge nachgedacht, aber davon war keiner von ihnen trainiert genug gewesen. Also hieß es einfach quer über die Hamburger Innenstadt fliegen und dabei eine halbe Tonne RFID Chips mit AR Werbung abwerfen um dann auf der „Nimmertag“, dem exklusivsten Partycruiser im Hamburger Hafenbbecken zu landen.

Natürlich war die Aktion selbst in der freien Stadt Hamburg eigentlich hochgradig illegal, aber Taresh hatte bereits im Vorfeld die richtigen Hände geschmiert für aller samt absurder Sondergenehmigungen. Spaceboy war sein Wingmen, ironischer weise im Wingsuit, der Schnitt schmeichelte der Figur des Genfreaks. Jokers Offerte Spitzzahn wegen eines Tanzjobs an zu quatschen schien er nicht nachgekommen zu sein. Der Magier hätte ihm zweifelsohne davon erzählt. Ein Stück weit bedauerlich, aber im Grunde genommen bedeutungslos, Joker würde nicht noch einmal den Fehler begehen und versuchen mit einem Chummer etwas an zu fangen, das gab nur Probleme. Auch wenn Spaceboys weltfremde, naive Art etwas niedliches hatte.

Von Keiler kam über Funk, wie gewohnt militärisch kurz und knapp, ein „Absprungebiet erreicht, Freigabe erteilt.“. Noch einen tiefen Atemzug mit – mehr oder minder - festen Boden unter den Füßen, dann sprang Joker aus dem Flugzeug. Erst jetzt öffnete sich sein Blick für die nächtliche Hamburger Innenstadt. Wie besprochen streckte er sofort alle viere von sich, Augenblicklich merkte er wie die kleinen Textilflügel seines Anzugs den Fall abfederten und mit einem lauten Freudenschrei Glitt der Elf nun durch die Luft. Die Kartuschen an seinen Hand- und Fußgelenken begannen nach nur wenigen Metern wild silberne Funken zu sprühen. Von unten muss Taresh beinahe wie eine überdimensionale Sternschuppe ausgesehen haben.

Er hatte keine Ahnung was genau unter ihm Lag, aber die Straße war breit und hell beleuchtet. Der Planung zufolge müsste dass das Hamburger Vergnügungsviertel sein. Mit etwas Mühe öffnete Joker den Sack in seiner rechten Hand und hunderte RFID Chips mit AR-Werbung Rieselten auf das Partyvolk herab. Das Ziel des Sprungs war schwer zu übersehen. Mitten im Hafenbecken lag vor Anker das exklusive Hamburger Partyschiff „Sektscholle“. Das Konzept eines Schiffes passte zu dem Club der Reichen und Schönen, nicht leichter hätte man sich im Hamburger Hafen separieren und schützen können. Nur mit Beibooten kam man aufs Schiff, oder aber über den Hubschrauberlandeplatz, wenn man bereit war in die VIP Tickets zu investieren. Niemand aber hatte darauf bestanden das man auch mit einem Hubschrauber landet.

Die AR im inneren seines Helmes wies ihn freundlich darauf hin, das für die Ideale Flugbahn nun der Richtige Moment sei den Fallschirm zu öffnen – aber das war ja nur ein freundlicher Hinweis, der nicht wusste, dass Joker mit ein paar Metern mehr im Wingsuit, wenn er die arme Leicht dabei bewegte, die ganze Aufmerksamkeit des Partybootes bekommen würde. Tatsächlich wandten sich viele Blicke der feiernden Gesellschaft auf den Mann im hautengen Silberkostüm der gerade zwischen Funkenregen vom Himmelviel. Als er schließlich doch die Reißleine seines Fallschirmes zog, entfaltete sich über ihm auf dunklem Textil in großen leuchtenden Lettern der Werbeschriftzug: 7sins Berlin.

Durch den entfalteten Schirm verlangsamte sich Jokers Fall wie zu erwarten Schlagartig. Dennoch merkte er rasch, dass sich die Hubschrauberlandeplattform des Vergnügungskahns deutlich schneller näherte, als es ihm lieb war. Vielleicht hätte er den freundlichen Hinweis seines Helmes und des Höhenmessers doch mehr Aufmerksamkeit schenken sollen. Das laute Poltern mit dem Jokers trainierter Körper zwischen dem leuchtenden H aufschlug ging in die noch lauteren Bässe der Musikanlage unter genauso wie der kurze Schmerzensschrei des Elfens. Seine schweren, blank polierten Party-Boots und seine Dermalverkleidung hatten zweifelsohne das gröbste abgefangen, dennoch war die Stellung seines rechten Fußes beim Aufprall äußerst unanatomisch gewesen.

Zu allem Überfluss hatte der Straßensamurai es auch geschafft, seine Glieder bei dem Versuch ab zu rollen elegant in die Seile des Fallschirmes zu verknoten. Es brauchte erst sein Kampfmesser und eine herausfordernde Geschicklichkeitsprobe um sich vom Zustand als Rollbraten wieder zu befreien, bis er schließlich mit gespielten Grinsen erst nach Spaceboy sah und dann zu den etwas verstört reinblickenden „Tür“-stehern am Rand des Landeplatzes humpelte.

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tbc

7. April 2074, Hamburg

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Das Bett war viel zu weich um aufzustehen, langsam rollte er sich zur Seite und sein Fuß nutzte diese Gelegenheit um ihn schmerzhaft an seine misslungene Landung zu erinnern. Seine Landung an sich hatte kaum jemand gesehen, glücklicherweise war die Landeplattform etwas erhöht gewesen. Dennoch hatte er nicht gerade die beste Figur gemacht, wie er an dem Tisch in der dunklen Ecke mit dem Fuß im Sektkühler saß. Die einzig attraktive Aufmerksamkeit, die er sich durch großzügige Trinkgelder erkaufen konnte kam durch den jungen Kellner der ihn mit Vodka versorgte.

Kurze Zeit nach Jokers Landung und der weitaus unspektakuläreren von Spaceboy war auch Keiler mit einem der Zubringerboote zum Schiff gelangt, hatte sich kurz über Jokers Unfall amüsiert und dann an die Bar verzogen um dort mit Gestalten zu flirten, die Taresh am ehesten mit polnischen Schlammketscherinnen assoziierte. Sein Wingman hatte bis auf ein paar Tanzeinlagen es vorgezogen sich an einer Limo festzuhalten und alle anderen Gäste aus möglichst großer Distanz zu beobachten. Unvergessene Clubabende waren dann doch was anderes.

So war es dann auch nicht weiter verwunderlich, das Joker ungewöhnlich früh, nachts um halb Zwei, im Atlantic Kempinski eincheckte und nach zwei Schmerztabletten friedlich in der Matratze versank. Nun saß er hier am Bettrand und quälte sich ungewöhnlich ungeschickt in seinen Anzug. Wurde er etwa schon zu alt für den Scheiß? Der Gedanke war deprimierend und dass der Elf dann auch noch wirklich darüber nachdachte, der AR-Werbung nach zu gehen und eine Hafenrundfahrt zu buchen, machte ihn auch nicht jünger.

Vielleicht sollte er nach dem Frühstück auch einfach ein Straßendoc aufsuchen und heute Abend auf der Repabahn nachhohlen was er heute verpasst hatte. Scheiß auf Hafenrundfahrt, erstmal die anderen zum Frühstück Sturmwecken, war ja nicht Jokers schuld das sie länger durchhielten.

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