07.09.2075, 9:21, MIT&T, Pschschologische Fakultät

Zitat

---

„Du bist dann wohl Nora?“, der Elf in dem exklusiven Anzug hatte ein sanftes, unverkrampftes Lächeln auf den Lippen, als er der jungen, gutgebauten Studentin die Hand reichte. Für eine Sekunde wirkte es, als ob er sie unbeweglich anstarrte, dann lies er ihre Hand los und wendete sich ihrem schlaksigem blonden Kommilitonen zu: „Und du bist Kevin.“. Mario fragte den angehenden Mediziner nicht nach seinem Namen, er stellte es nur fest. Er reichte ihm vom oben die Hand und verharrte auch bei ihm für eine Sekunde nahezu bewegungslos. Der Geist des Magiers löste sich wie schon bei Nora für einen Liederschlag von den weltlichen Sinnen.

Viele Magier beschrieben Auren als abstrakte Farben außerhalb des Prismen-Spektrums. Für Mario aber war diese Analogie unzureichend. Auren hatten für ihn zwar auch fantastische Farben, waren Abbilder der Körper ihrer Träger und verrieten durch tote Schatten was ihnen geraubt wurde, aber sie hatten auch einen Klang, wenn sie gesund waren dann klangen sie meist wie leichtes, fernes rauschen, aber wenn sie krank waren lärmten sie in verzerrten, schrillen Tönen, die Mario nach viel Training zumindest halbwegs deuten konnte. Ferner vermochte er zu spüren, ob die Auren von Magie erfüllt waren, er spürte es am ganzen Leib, ein nahezu elektrifizierendes Gefühl überkam in bei Erwachten.

Über all diesen Eindrücken aber genoss der Schwarzmagier was er roch und schmeckte solange er astral wahrnahm. Die Liebe war süß, schwer und weihrauchschwanger, die Erregung noch süßer mit dem flüchtigen Duft von wilden Blumen, berauschend fast. Bitterkeit sprach immer für Trauer oder Enttäuschung und Freude schmeckte wie süße Erdbeeren. Angst, Furcht und Verunsicherung lagen scharf auf der Zunge und rochen nach exotischen Gewürzen, er schmeckte das auch bei Kevin. Während Nora nur den faden Geschmack von Langeweile in sich trug, so spürte er bei Kevin ein leichtes, scharfes Kribbeln auf der Zunge und konnte den Geruch Koriander erkennen, eindeutig Nervosität.

Als seine Sinne wieder in der Physischen Welt waren ließ er den Studenten wieder los. Obgleich er weiterhin in Kevins Augen sah schien er zu beiden zu sprechen: „Ich bin Herr Morelli. Ich hab einen Master in Theoretischer Magie mit den Nebenfächern Metaplanare Studien, angewandte Beschwörung und Psychologie. Für meine Promovierung forsche ich zu den Handlungsmotiven von Geistern. Als Grundlage für diese Forschung stelle ich vergleiche zu den Handlungsmotiven von Metamenschen her. In der Praxis bedeutet dies, dass ich mit euch einen Fragekatalog zu euren Hintergründen und Zielen durchgehe.“. Er schenkte den beiden einen kurzen Moment zum verstehen ehe er fortfuhr: „Da wir Gentleman sind werden wir mit der Dame beginnen und nach dem Mittag Wechseln. Du Kevin sei ein guter Junge und Warte hier solange, es wird sicherlich zwei bis drei Stunden dauern aber du hast Gewiss noch etwas zum Lernen auf deinem Kommlink.“.

Mit einer knappen Handbewegung deutet er auf einen wenig bequem wirkenden Kunststoffstuhl auf dem Gang ehe er sich wieder an Nora wandte, ihr ein Lächeln zuwarf und höflich die Tür zum Befragungsraum für sie öffnete.

---

07.09.2075, 11:49, MIT&T, Homerun Campusbar

Zitat

---

Es kostete Mario viel Selbstbeherrschung Knut nicht einfach eine zu Scheuern. Auf Noras Frage, wo er studiert hätte, hatte er geantwortet an der Universität, das hatten die beiden Studenten noch mit einem verlegenen Lächeln als schlechten Scherz hingenommen. Als dann aber die zwergische Kellnerin gerade die Bestellung aufnahm bemerkten alle ihren leicht irritierten Blick, außer Knut der bemerkte nur ihren wohlgeformten Busen und das äußerst offensichtlich, was wiederum die Ursache für die Irritation der Kellnerin war. Wie sie wieder verschwand war es erneut Nora, die die unangenehme Situation mit einer weiteren Frage, zu Knuts Fachgebiet, aufzulockern versuchte.

„Mein Fachgebiet? Ja ich operier Kugeln aus Leuten und …“, der Schwarzmagier unterbrach seinen Kollegen mit einem Räuspern, begleitet von einem sanften Tritt gegen das kleine Schienbein und versuchte die Fassade wieder herzustellen: „Mein guter Freund, ich glaube die Beiden sind durchaus ~ernsthaft~ an deiner Arbeit interessiert.“. „Au -Was?“, hakte der Gnom nach bevor er zu verstehen schien: „Ach ja – ähm ich hab mich viel mit orthotopen, allovitalen, alloplastischen Implantationsmedizin insbesondere mit dem Bezug des Einfluss der Immunglobili…“. Während Knut gerade fröhlich vor sich hin zu plappern begann setzte bei Mario ein Filter ein, der die Worte des Streetdocs in statisches Rauschen umwandelte. Auch Nora und Kevin schienen eher höflich als interessiert zu nicken während der Gnom sprach. Der Elf hoffte nur, dass der Gnom es nicht versauen würde. Fast zweieinhalb Stunden hatte er damit zugebracht der jungen Studentin einzureden, dass sie das Leben genießen sollte mit dem besten was sie kriegen kann und sich nicht an falsche Höflichkeitsbekanntschaften halten sollte.

Schließlich erbarmte sich Mario der beiden Studenten und unterbrach Knut erneut in seinem Redefluss: „Das ist wirklich sehr spannend, aber sei doch einmal so gut und sieh ob unsere Getränke schon fertig sind, ich habe wirklich Durst.“. Knut zögerte kurz, schien dann aber zu wissen worauf Mario hinaus will und nickte sachte. Der Schwarzmagier erklärte entschuldigend gegenüber den beiden Norms, dass sein kollege Fachlich wesentlich besser sei als in sozialen Angelegenheiten. Derweil konnte Mario erkennen, dass Knut mit der Zwergin sprach während sie die Getränke vorbereitete und er hoffte einfach, dass der Gnom die Gelegenehit nutzte um Noras Diät Cola entsprechen zu präparieren.

Als Knut schließlich, hinter der Kellnerin die allen ihren Drink gab, wieder kam erhob Mario kurz zum Tost sein Glas, um auch sicher zu gehen das jeder einen Schluck nahm. Nach zwei, drei weiteren Worten entschuldigte sich der Elf schließlich um kurz die Örtlichkeit aufzusuchen. Scheinbar hatte er Schwierigkeiten diese zu finden, doch das Umherirren diente in Wirklichkeit nur dazu, die nächste Schachfigur zu finden. Der Student, für den er sich entschied, trotze vor Klischees. Ein Gesicht so makellos und abgestimmt wie frisch aus dem Bodyshop, ein aufgepumptes Kreuz und ein hochqualitatives Trikot das Jedem sagen sollte: Ich gebe viel Geld für Klamotten aus die so aussehen sollen als hätte ich gar kein Geld.

Der Schwarzmagier wusste noch nicht mal wie er hieß doch nach einem kurzen, kalten Schauer die dem Norm erfasste wollte er mit einmal unbedingt die Blondine zwei Tische weiter abschleppen, das arme Ding saß eh gefangen zwischen einem Goblin und einen Streber. Schwungvoll stand er auf und strich sich durchs kurze, schwarze Haar. Wie Mario von der Toilette zurückkam Lachten Nora und der Unbekannte bereits amüsiert, während Kevin immer nervöser und kleiner wurde und Knut nur irritiert zwischen den drein hin und her blickte.

Nachdem der sportliche Student sich als John vorstellte, lud man ihm zum Essen mit an den Tisch. Bei Soypizza und -paste lenkte Mario den Smaltalk dahin, was für ein toller, erfolgreicher Athlet John doch sei. Schließlich aber bemerkte er die vorangeschrittene Zeit, dass man weiter machen müsste. In einer Geste großen Verständnisses aber wandte er sich an die Norm die gerade den letzten Schluck ihrer Coke leerte: „Nun Nora du hast die Wahl, eigentlich war es angedacht du wartest bis ich mit Kevin fertig bin und dann macht ihr beide noch ein paar gemeinsame Versuche. – Aber…“, Er sah lächelnd zwischen ihr und John kurz hin und her ehe er weitersprach: „Ich denke ich könnte den Versuch auch umgestalten, so dass du mich und Kevin allein lassen kannst.“.

Nora war ganz begeistert von Herr Morellis Verständnis und Johns Körper, John war begeistert von Noras Offenheit, Kevin war nervös und Niedergeschlagen, was wiederum Mario begeisterte und Knut ging nochmal zur zwergischen Kellnerin.

---

07.09.2075, 21:13 MIT&T, Pschschologische Fakultät

Zitat

---

In hellem Blau leuchtete in der nur für Mario sichtbaren AR eine Checkliste deren vier Punkte mittlerweile alle abgehackt waren. Der Schwarzmagier lehnte sich in dem modernen aber dennoch wuchtigen Sessel zurück und überflog sie noch einmal, bevor er sie bei Seite schieben wollte.

1. Zerstören des familiären Bandes
   Smalltalk über Herkunft
   Besonders auf die Vaterrolle eingehen
   Gängige Thesen zum Nestverhalten und Weiterentwickeln darlegen
   Schlüsselthese ihm darlegen und dann in seine Gedanken durch Glasya-Labolas einpflanzen lassen: „Du kannst die Erwartungen deiner Familie und insbesondere deines Vaters nie erfüllen, solange du dich nicht von ihnen löst, denn das ist Teil ihrer Erwartungen.“[/*]
2. Abhängigkeit von Autoritärer Bezugsperson
   Smalltalk über wie ihn Vater / Lehrer /etc. beeinflusst haben
   Ggf. Herausstellen wie wenig Erfolg er selbständig hatte.
   Bestätigen das es normal, gut und natürlich sei, dass es Menschen gibt die nur dann aufgehen wenn sie jemanden folgen, sich dessen Entscheidungen ganz hingeben / ihm gänzlich vertrauen.
   Schlüsselthese ihm darlegen und dann in seine Gedanken durch Glasya-Labolas einpflanzen lassen: „Du jemand, dessen Naturell es entspricht jemand anderes zu folgen, du brauchst eine Autoritätsperson, die dir die Richtung vorgibt und auf dich aufpasst, jemanden den du ganz und gar vertrauen kannst.“[/*]
3. Sexualität in Frage stellen
   Auf Nora Ansprechen.
   Hinterfragen ob Familie / Freunde / Umwelt eine Erwartungshaltung aufbauen das er eine Freundin hätte.
   Feststellen, das mit seinem Hintergrund / Aussehen / Charakter er eigentlich leicht eine Freundin fände.
   Schlüsselthese ihm darlegen und dann in seine Gedanken durch Glasya-Labolas einpflanzen lassen: „Du hast kein Erfolg bei Frauen, weil du das eigentlich gar nicht willst. Du versuchst nur eine dir auferlegte Erwartungshaltung zu erfüllen und unterdrückst deine eigentliche Sexualität - die unterbewusst dein Erfolg bei Frauen verhindert.“
   Ihm klarmachen, dass er nur dann glücklich wird, wenn er diesen Zwang die Erwartung von Vater/Gesellschaft zu erfüllen ablegt.[/*]
4. Ihn auf mich Fixieren.
   Anknüpfend auf die vorhergehende Geschichte eigene Coming out Story heroisieren und folgend ein wenig von Studium, harter diskriminierter Kindheit erzählen.
   Bereitschaft signalisiert ihm bei der Selbstfindung helfen zu können.
   Schlüsselthese ihm darlegen und dann in seine Gedanken durch Glasya-Labolas einpflanzen lassen: „Mario ist so selbstbewusst, klug, charmant, autoritär, dass er derjenige ist dem du folgen, vertrauen und dich ihm hingeben solltest.“[/*]
5. Genießen[/*]

Wie die verblassende AR verschwand sah er Kevin wieder direkt an. Böse Zungen hätten Vergleiche zwischen Jäger und Beute gezogen. Aber Mario hatte Mitleid mit dem Jungen. In den vergangenen acht Stunden hatte er Kevins Selbstbild komplett demontiert und neu zusammengesetzt. So wie der junge Mensch nun da saß, das blonde Haar zerzaust, die schmalen Schultern hängend und Augen noch immer von den verflossenen Tränen glänzend, so hätte Mario ihm am liebsten in den Arm oder auf dem Boden genommen. Aber nein, ein klein wenig Geduld, ein klein wenig Arbeit und vielleicht eine kleine Dosis Eros brauchte es noch.

Der Schwarzmagier stand mit einmal aus seinen Sessel auf und reichte Kevin die Hand: „Komm, wir gehen was trinken ich kenn da ein guten Club um sich abzulenken.“.

---

09.09.2075, Haus der 3 M's
[miniyoutube]https://www.youtube.com/watch?v=_un3jOYapnQ[/miniyoutube]

Zitat

---

Durch angestrengte Lethargie hatte Mario es geschafft, den Wecker und die Kommlinknachrichten zu ignorieren. Schließlich aber, draußen war es bereits unerträglich hellgrau, hatte sein Bruder sich auf ein Kommlink geschalten um direkt mit ihm zu reden: „Cieran es ist gleich Acht, wir müssen los.“. Die Antwort des Schwarzmagiers klang als versuchte er eine Socke mit der Zunge zu verknoten und so hakte Sean nach was Mario sagen wollte. Unter größter Anstrengung schaffte der Elf es, die bleischwere Decke von einem Gesicht zu ziehen. Er holte Luft, so tief es ging, was nicht tief war, aber nicht um zu antworten, sondern um melancholisch zu seufzen. Erst nach einer weiteren dramatischen Pause brachte er hervor: „Keine Lust.“. Und schaffte es irgendwie seinen eigenen Körper auf die Seite zu hieven und die Knie anzuziehen.

Trocken merkte Sean mit reichlich fachlichen Wörtern an, dass Marios Motivcationsmangel am ehesten die Nachwirkung von Novacoke wäre. Marios Argumentation gegen die ausführliche und sachliche Darlegung seines Bruders war ein lustloses aber klares: „Mir doch egal.“. Mit letzter Kraft schaffte er es sich die schwere Decke wieder schützend über sein Gesicht zu zerren. In der Dunkelheit und Wärme war er sicher vor dieser gnadenlosen Realität da Draußen. Es viel so auch leichter die weiteren klugen Argumente seines Bruders zu ignorieren. Das gute an einem Zwillingsbruders ist, man kann bei ihm sämtliche Höflichkeitsfloskeln ignorieren, ohne dass er es einem je übel nehmen würde.

Das schlechte an einem Zwillingsbruder ist, er kennt einen viel zu gut. Nach einer zähen und schwer zu definierenden Zeitspanne öffnete sich die Tür zu Marios Zimmer. Eine Person trat neben ihn und stellte etwas neben das Bett, es roch wie Kaffee, guter Kaffee. Wortlos verschwand die Person wieder, stattdessen aber tapsten vier kleine Pfoten in den Raum erst irrte das Wesen orientierungslos durch den Raum, schnupperte dann aber kurz und sprang schließlich in das Bett um sich unter die Decke zu wühlen. Leider machte sich in dem Moment, als Loki Marios Zeh fand, bemerkbar, dass der Welpe kein Schoßhund war. Herzhaft bis der zahnlose aber erstaunlich kräftige Wolf hinein, was reichte um Mario mit einmal zurück ins Leben zu reißen.

---

12.09.2075, Boston, "le gourmet" (Sternerestaurant nahe der Neonet-Akrologie)

Zitat

---

Die kleinen, spitzen Zähne des scharfen Messers rissen fast mühelos eine grade Bahn durch das innen noch blutige Fleisch. Mario nahm das abgetrennte Stück mit der Silbergabel auf, noch ehe er es sich aber in dem Mund schob hielt er es unter seiner Nase und schloss die Augen. Man konnte riechen wie sich das tiefe Röstaroma mit dem eisenhaltigen Geruch des Blutes vermischte. Sein Mund wurde bereits wässrig, bevor er die schmalen Lippen öffnete und das Fleischstück mit den Zähnen langsam von der Gabel zog. Doch statt das gebratene Rinderfilet zu zerkauen ließ er es ruhig auf der Zunge liegen. Er öffnete die Augen wieder und sah langsam vom adrett gekleidetem Diego, der ihm gegenüber gerade unsicher in seinem Salat rumstocherte, zu seinem Kommlink.

In aller Ruhe legte der Elf sein Besteck bei Seite um anschließend mit einem einzelnen Finger den Schieberegler, den das Touchpad des Kommlinks zeigte, von Null bis fast zum Anschlag hinauf zu schieben. Mario lehnte sich zurück und schloss die Augen, so dass er nicht mehr sehen konnte wie Diego erschrocken aufblickte und die Gabel n das kunstvoll arrangierte Gemüse fallen ließ. Der junge Sportstudent biss sich auf die breite Unterlippe um nicht in Mitten des noblen Restaurants laut auf zu Schreien. Instinktiv rutschte er mit dem Hintern an die Lehne des antik wirkenden Stuhles und krallte sich an den hölzernen Armlehnen fest.

Kein Koch und kein Gewürz dieser Welt konnten diesen Geschmack erzeugen. Mario lehnte den Kopf zurück und seufzte vor Genuss als er das Fleischstück in seinem Mund langsam zu kauen begann. Seine Zunge brannte und kribbelte zugleich von dem wilden Tanz von Scharf und Süß in seinem Mund. Es roch wie auf einem märchenhaften Basar nach exotischen Gewürzen und fremden Blumen. Ohne die Lider zu öffnen legte der Schwarzmagier einen Finger wieder auf das Kommlink und mit sachten Bewegungen auf und ab über das Touchpad konnte er die Symphonie dirigieren. Seine Zungenspitze glitt über seine Lippen, als er Diesgos verräterische Sehnsucht schmeckte, jedes Mal wenn er den Regler zu weit hinab zog.

Mit einem Streich schob er den Regler auf das Maximum, legte den Kopf zurück und atmete dabei tief hörbar ein. Dieser Mix aus feuriger Schärfe und Süße. Das Süße war schwer Heute, schwerer als er es von Diego kannte, beinahe wie Weihrauch. Nein, nicht beinahe, es war wie Weihrauch. Es riss Mario aus der astralen Wahrnehmung heraus als er sich beinahe an dem halb zerkauten Filetstück verschluckte. Im letzten Moment konnte er es ausspucken und so fiel es, zerbissen wie es war, auf den Teller zurück. Kalt, wütend beinahe starrte er sein Gegenüber an als er den Regler auf seinem Kommlink zu Null bewegte und das kleine Gerät in sein Sakko verstaute.

Diego konnte sich nicht entscheiden ob er beschämt, erregt oder verunsichert dreinblicken sollte und starrte so schweigend seinen Salat an. Trotz der live gespielten Geigenmusik im Hintergrund war die Stille beklemmend bis Mario sie plötzlich und direkt unterbrach. Seine Stimme war kalt, vorwurfsvoll, wütend beinahe und verdrehte den Inhalt seines Satzes auf absurde weise: „Du hast dich in mich verliebt.“. Der junge Latino erwachte aus seiner Schockstarre bei diesem Vorwurf und reagierte kaum minder aggressiv. Er knallte die kräftige Faust so stark auf den Tisch, dass Geschirr und Gläser bebten als er zurückharschte: „Red‘ kein Scheiß! Ich hab kein Bock auf dein Romantikscheiß du Elfenschwuchtel!“.

Die Augen des Elfen Verengten sich und erneut schnaufte er wütend auf. „Fein.“, meinte er knapp bevor er kurz die Stoffserviette nahm und sich einmal über den Mund wischte ehe er sie achtlos auf den Teller warf und aufstand. „Ich bin raus hier.“, meinte er bereits im Gehen, und konterte das „Arschloch“, das ihm Diego hinterherrief nur noch mit „Schlappschwanz“, ohne sich nochmal umzudrehen.

---

14.09.2075, Boston, Haward Campus, Studentenwohnanlage

Zitat

---

„Mein Vater hat dich einen Mafiosi genannt.“, Kevins Worte klangen zögerlich, er traute sich eigentlich nicht die Frage zu stellen, aber trotz Marios Einfluss auf ihn war die Meinung seines Vaters weiterhin wichtig für ihn. Der Halbitaliener griff nach der Weinflasche, die er mit in das Premium-Studentenwohnheim gebracht hatte und goss ihnen beiden nochmal nach. Er nippte kurz an dem Wein, das trockene Gesöff erzeugt einen seltsamen Geschmack auf der Zunge, als der Schwarzmagier zu askennen begann. Die Nervosität des Studenten schmeckte nach Koriander und dennoch mischte sich eine süße, karamellgleiche Prise von Zuneigung und Sehnsucht dazwischen. Nachdenklich strich er mit dem schmalen Zeigefinger über den Rand des Glases als er es wieder abgestellt hatte und sah dann schließlich Kevin direkt in die Augen, der den Blick jedoch nicht lange standhielt und zu Boden schaute ehe Mario zu sprechen begann: „Ein Megakonzern, ist eine profitorientierte Organisation die aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Entwicklung sich im Großteil nicht an die Gesetze von Staaten hält. Sie zahlen kaum Steuern, sie morden, erpressen, lügen und stehlen wann immer es ihren Geschäften dient und haben dabei weder Seele noch Gewissen. Trotz allem aber ist ihre Verzahnung mit der Mittel und Oberschicht unser Gesellschaft so eng, dass im Zusammenspiel mit ihren gigantischen Image- und Lobbybudget es kein Schimpfwort ist, jemanden als ‚Konzerner‘ zu bezeichnen.“

Einen kurzen Moment schwieg Mario, er wartete auf Kevins fragenden Blick bevor er dünn lächelte und weiter ausfuhr: „Ja auch ich bin Mitglied einer Organisation, die sich zum Teil derselben Methoden wie die der Megakonzerne bedient und das schon lange bevor es überhaupt ein Shiwase Urteil gab. Wir investieren nur keine Millionen in Imagekampagnen und Lobbyisten, dennoch sind wir entgegen dem Dreck den die Boulevardmedien über uns berichten keine profitgeilen Schläger. Meine Familie wird geprägt von uralten Werten und Regeln die mehr Beständigkeit und Gewicht haben als all diese scheinheiligen Ethikleitlinien aller Konzerne zusammen, denn unser Kodex dient nicht primär uns selbst sondern der Gesellschaft als dessen Teil wir uns erachten. Dein ~Mafiosi~, der hier neben dir sitzt hat sich dazu entschieden mit deinem Vater das Gespräch zu suchen und ihn und seine Familie zu beschützen, anstatt wie die Megakonzerne oder gewöhnliche Kriminelle mit Erpressung, Entführung und Killerkomandos vorzugehen und ganz nebenbei ist er dabei über dich gestolpert und hat beschlossen dich unter seine Fittiche zu nehmen“ Obgleich Mario sanftmütig schmunzelte schaute der Blondschopf ihn gegenüber betreten und ertappt zu Boden. Kleinlaut nuschelte Kevin etwas davon, dass es ihm Leid tue und nicht so gemeint gewesen wäre.

Das Schmunzeln auf Marios Lippen verzog sich zu einem kecken Grinsen als er schwungvoll aufstand und einen Schritt auf den Menschen zumachte. Zuerst wickelte er nur eine Strähne des strohgleichen Haars spielerisch um den langen Finger, dann öffnete er mit diesem den obersten Knopf von Kevins Poloshirt und säuselte dabei mit betont italienischem Akzent:: „Dein Mafiosi verzeiht dir nochmal, doch er hat ein unmoralische Angebot für dich, das du nicht ablehnen kannst.“.

---

Warnung vor Gewaltszenen

[miniyoutube]https://www.youtube.com/watch?v=zt0UuNpUqK4[/miniyoutube]
10.10.2075, Boston, MIT&T

Zitat

---

Hörsaal Zwei der thaumathologischen Fakultät des MIT&T war beinahe verweist. Jeder Schritt der schwarz glänzenden Schuhe des Zwillings hallte in der Leere des Raumes als das harte Leder auf die abgenutzten Dielen trat. Vor einer guten Stunde war er noch beinahe überfüllt mit allerhand angehenden Hermetikern, einer Hand voll studierenden Schamanen, einem guten Dutzend Psyschologiestudenten, einem Medizinstudenten aus Harward und einem regungslosem Prüfungskomitee. Sean war einer der ersten im Saal gewesen, nicht zuletzt weil er und die massive Werbung die er betrieben hatte Schuld für den Andrang waren. Mehr Studenten als Plätze würden die Prüfer unterschwellig unter Druck setzen hatte Mario gemeint.

Nun aber saßen nur noch die acht, allesamt ergrauten, Herren in der ersten Reihe der großen Halle, davon fünf erfahrende Magier, allesamt mehrfach initiiert und drei renommierte Psychologieprofessoren. Wie ein herrisches Tribunal hatten sie im Halbkreis der vordersten Reihe ihre alten, klapprigen Leiber in die alten, klapprigen Stühle gepresst. Ihre kleinen Bäuche zeugten von Wohlstand und Stolz. In einer Welt, an der die meisten nur Soya und Krill fraßen und es an jeder Ecke ein Bodyshop gab, musste man zugleich sehr wohlhabend und sehr von sich selbst überzeugt sein um die mühsam angefressene Plauze so scharmlos mit sich herum zu tragen. Ihre fetten Nickelbrillen, hässlichen Pullunder und aufgenähte Ärmelschoner aus echtem Leder unterstrichen das Klischeehafte Bild noch. Millheimer war der einzige, der zumindest optisch ein anderes Bild abgab – am Ende sind alle Schwarzmagier unverbesserliche, narzisstische Hedonisten.

Die alten Männer schnalzten ihren Kautabak, kratzten ihre knolligen Nasen und kauten auf ihren Bleistiftenden, man hätte sie leicht für den Kreisvorstand des Seniorenbingovereins halten können, aber Mario unterschätzte sie nicht, im Gegenteil – seine Knie waren weich, seine Finger Steif, seine Kehle trocken und seine Stirn feucht. Unbewusst biss er sich auf die Unterlippe als Millheimer schließlich die Stille unterbrach: „Mario – bist du nervös?“. Der Elf hatte unwillkürlich den Drang zu verneinen und seine Gefühle mit einer sarkastischen Bemerkung zu vertuschen, aber es wurde ihm rechtzeitig klar wie sinnlos dieses Unterfangen vor diesen Prüfern gewesen wäre, so kam nach kurzem Zögern nur ein ungewohnt kleinlautes „Ja“ über die Lippen des jungen Schwarzmagiers, dass die Antwort seines langjährigen Lehrers daraufhin lediglich „Gut“ lautete machte die Situation nicht besser.

Was folgte war das reinste Verhör, wie ein Schuljunge, nein mehr wie ein Angeklagten ließ man ihn vor seinen Richtern stehen während die scharfen Geister den eingekreisten Magier mit spitzer Zunge Fragen um die Ohren warfen. Wie er denn den wissenschaftlichen Wert einer Arbeit begründe, von der er selbst schrieb, dass die allermeisten Werte auf subjektiven, unverifizierten Beobachtungen beruhen, warum sich ein Großteil seiner Thesen auf die Grundlagen des umstrittenen Dr. Gordons beruft oder warum seine zugrunde gelegten psychologischen Modelle bestenfalls als vereinfacht bezeichnet werden könnten. Mario hatte den Eindruck, bei jeder der Fragen würde sich ein neuer Knoten in seine Eingeweide winden, es war nicht so, als dass er sich der Antworten, der Qualität seiner Arbeit nicht bewusst genug gewesen wäre, doch er wusste nur zu gut das auf einem Feld so schwammig wie dem der Magietheorie er ohne das Wohlwollen seines Tribunals kläglich scheitern würde – und diese Abhängigkeit wurde ihm mit jedem Schlag des Sekundenzeigers der antiken, mechanischen Uhr im Raum bewusster, Mario hoffte nur sie würden endlich mit ihren Fragen aufhören.

Als sie dann mit einmal schwiegen, die Köpfe zueinander wandten und leise zu Tuscheln begannen, war sich der junge Elf nicht mehr sicher ob er das wollte. Schließlich erhob sich der besonders alte Mann aus der Mitte des Halbkreises. Man könnte meinen dieser ältere Herr, Professor Krohn für angewandte Beschwörung, war deswegen der Vorsitzende der Prüfungskommission, weil er es schaffte die meisten Klischees in sich zu vereinen. Er trug fast immer denselben braunen Pullunder, von dem Mario nicht wusste ob er von seiner Frau selbstgestrickt oder einfach nur besonders alt und hässlich war, die Nickelbrille auf Krohns runder Nase war dick genug um ein cyberdeck darin zu verbauen und dennoch so elektronisch wie ein unvercybertes stück Toastbrot und als er zu sprechen begann konnte man zwischen den Zähnen des Professors ein schwarzes Stück Kautaback klemmen sehen: „Wissen sie – wissen sie Herr Morelli, ich denke nicht das Ihre Arbeit eine Dissertation rechtfertigt. Sie ist nichts als die Bündelung schlampig zusammen getragener, äußerst streitbarer, subjektiver Meinungen, denen auch durch das wilde Anhäufen und verteilen von Fußnoten und Diagrammen kein wissenschaftlicher Eindruck verliehen werden konnte.“

Es dauerte einige brutale Schläge des Sekundenzeigers bis Mario die Worte des Professors kognitiv verarbeitet hatte, dann Blinzelte er, einmal, zweimal. Alles in ihm wandte sich, stemmte sich gegen den Vulkan der daraufhin in ihm ausbrach, er wollte aufschreien, brüllen, fluchen und die Astralebene erzittern lassen. Wen interessieren den schon die Konsequenzen wenn er diesen Kotzbrocken die Augen ausreist. „Doch…“, fuhr der alte Beschwörungsmeister dann auf einmal fort: „… haben mich meine geschätzten Kollegen überstimmt – Dr. Morelli.“

---

[miniyoutube]https://www.youtube.com/watch?v=gxrws7omOHQ[/miniyoutube]

Metaebene der Menschen

Zitat

---

Dicke Zigarren und schmale Zigaretten an langen Haltern legten eine still ruhende Wolke aus weißblauen Rauch um die protzigen Kronleuchter deren Glühbirnen eifrig ein warmes, oranges Licht von sich warfen. Nur Schemenhaft konnte Mario die dicht gedrängten Gestalten in dem engen Raum ausmachen und stellte dennoch überrascht fest wie erstaunlich Metamenschlich sie waren. Die meisten von ihnen würden wohl auf der Erde einfach nur für Bodymorph-Spinner gehalten werden, mit ihren Brennenden Iriden, ihren Flügeln, Schwänzen und Hörnern der unterschiedlichsten Größen und Formen, sowie ihren spitzen Zähnen und gespalten Zungen. Nur wenige stachen deutlich aus dem Bild hervor, so mischten sich vereinzelnd elementare Gestalten, fahle Schatten oder anthropomorphe Tierwesen unter die illustre Gesellschaft.

Auf der kleinen Bühne am Ende des langgezogenen Raumes spielte eine Band aus ausschließlich dunkelhäutigen Musikern in weißen Smoking zu dem lieblichen Gesang einer blonden Frau. Ihr Oberkörper war eindeutig Menschlich, um den schlanken Hals trug sie ein massives, goldenes Halsband, das ob ihrer blassen Haut kaum auszumachen war und über die Schultern geworfen ruhte eine hellblaue Federboa die ihre runden Brüste nur spärlich bedeckte. Als Unterleib aber hatte sie keine Beine sondern eine große Blau-Türkise funkelnde Fischflosse. Mario war noch ganz fasziniert von dem Anblick, so dass er die Gestalt neben sich erst bemerkte, als sie zu sprechen begann.

„Sie sind also der Neue.“, als der Elf seinen Kopf zu der verrauchten, aber eindeutig weiblichen Stimme mit dem französischen Akzent wandte blickte er in ein schwarzes Augenpaar mit hellroter Iris. Langsam musterte er die Frau die kaum einen halben Meter neben ihm stand. Ihre breiten Lippen waren wie auch ihr glitzerndes Kleid vom selben Rot wie in ihren Augen während ihr langes, schwarzes Haar und ihre beinah Alabasterweiße Haut starke Kontraste bildeten. Langsam nickte Mario schließlich und als ihm die Dame ihre Hand entgegendrückte griff er diese achtsam, nahm seinen weißen Fedora ab und hauchte einen Kuss vor die schlanken Finger mit den dunklen, spitzen Nägeln. Als er wieder Aufrecht stand und sein Hut wieder auf den Kopf setzte stellte er sich selbst knapp als Doktor Morelli vor. Ein verführerisches Lächeln legte sich daraufhin auf die knalligen Lippen seines gegenüber: „Enchanté docteur Morelli. Je suis maîtresse de maison“.

Kurz zögerte Mario, zuerst wollte er höflich anmerken das sein Französisch äußerst bescheiden sei, dann aber runzelte er die Stirn, darüber warum ein Geist überhaupt eine Sprache sprach die er nicht verstünde. Die Mistress schien seine Gedanken zu erraten, oder zu hören und lachte kurz auf was ihre spitzen Eckzähne deutlich enthüllte: „Oh docteur, Sie haben noch so viel zu lernen, wenn sie sich jetzt schon über eine Sprache wundern. Fragen Sie sich nicht warum ich Französisch spreche, fragen sie sich lieber warum sie es nicht tun, oder warum wir überhaupt miteinander sprechen.“. Sie schmunzelte amüsiert und nahm von dem Silbertablett, das ein dunkelhäutiger Kellner unaufdringlich darbot, zwei Champagnergläser, gab Mario eins und stoß mit ihm an.

Fasziniert stellte der Schwarzmagier fest, dass seine Geschmacksnerven wunderbar funktionierten. Doch noch während er über diesen Eindruck nachdachte kam die Dämonin erstaunlich schnell zum Geschäft: „Also docteur, Sie sind hier weil monsieur Jack Sie zu mir geschickt hat, weil Sie eine Sichere Unterkunft – einen diskreten Ort suchen um diese Welt zu erkunden.“. Mario kommentierte nur knapp, das dies korrekt sei bevor die Dame weiterfuhr: „Ich kann Ihnen durchaus dabei helfen, aber wie alles im Leben hat das seinen Preis und sie Wissen wovon ich rede.“. Diesmal schwieg der Elf für einen Moment bevor er zögerlich nickte: „Karmaenergie – ich hoffe was ich bei mir Trage ist ausreichend?“.

Der große frei Geist Mistress musterte den Projizierten abermals, eindringlicher diesmal bis sie schließlich nickte, sich vorbeugte und in Marios spitzes Ohr raunte: „Es ist ausreichend.“. „Gut – dann sei es so.“, antwortete der Schwarzmagier noch, dann schon spürte er wie in einem kurzen, schmerzhaften Moment sich zwei spitze Zähn in seinen Hals Borten, sein Körper war auf einmal erfüllt von einem kaltem Schauer und beinahe hätte er das feine Champagnerglas fallen gelassen. Doch noch bevor er sich der Situation ganz Gewahr wurde, war es auch schon wieder vorbei. Die Mistress leckte sich über die Lippen und meinte mit einem Amüsierten Schmunzeln: „Es ist im achtzigsten Stockwerk, es war mit eine Freude docteur Morelli.“.

---

In dem Haus das es nicht gibt.

Zitat

---

Die Töne des glänzenden schwarzen Flügels flogen durch die weitläufigen Zimmer des Apartments im 80. Stockwerk in dem Hauses das es nicht gibt. Mario war eigentlich nur ein bestenfalls durchschnittlich guter Klavierspieler, der Zwilling besaß zwar ein gutes Gefühl für die Harmonie von Tönen, hatte aber nie wirklich diszipliniert genug geübt. Hier aber galten andere Gesetze, er hatte nur die ersten paar Töne mit den Fingern auf den weißen Tasten angeschlagen, dann hatte sich das Instrument verselbständigt und spielte ohne Pianist die Melodie weiter. Natürlich war Mario bewusst, dass es sich um eine Illusion handelte, dass das Lied aus den Tiefen seiner eigenen Erinnerung wiedergegeben wurde, das hieß aber nicht, dass er es nicht genoss.

Langsam entfernte er sich von dem edlen Instrument, im Musikzimmer standen Stehtische um die sich allerhand Leute tummelten und während sie das üppige Buffet genossen angeregt vor sich hin plauderten. Es faszinierte den Schwarzmagier zutiefst, seine Familie, Liebhaber, Freunde sowie Kollegen so beisammen zu sehen und alle verhielten sich genauso wie Mario es erwartete – wie auch sonst. Er hatte vor Jahren schon davon gelesen, dass imitierte Magier auf Astralebenen mit den richtigen Bedingungen Abbilder vertraute Personen aus ihren Geist heraus projizieren. Dieses Phänomen nun aber selber zu erleben war eine beeindruckende Erfahrung.

Neben ihn bemerkte er seinen Bruder stehen, nicht wie die meisten Gäste mit ein paar Fingerfood-Spießen oder einem Sektglas sondern lediglich seinem Kommlink in der Hand. Mario schmunzelte kurz: „Es gibt hier keine Matrix Sean.“. Der andere Zwilling sah von dem Bildschirm auf und erwiderte kühl und unbeeindruckt: „Es gibt hier auch nicht mich und die anderen Personen im Raum, also werfe mir nicht vor, dass ich mich so verhalte wie du dich mir vorstellst.“. „Komm so Falsch liege ich doch nicht.“, erwiderte Mario und kassierte davon nur ein Schulterzucken von der Projektion seines Bruders.

Einen Moment lang beobachteten die Zwillinge die Leute schweigend, Serafina versuchte sich ungeschickt und vergebens an Diego ranzumachen der zu schüchtern war ihr klar zu machen wie die Dinge stehen. Seine Hand auf ihrem Knie sprach dafür, dass Millheimer bei seinem Flirt mit einer ehemaligen Kommilitonin Marios wesentlich erfolgreicher war. Vincent erklärte gerade der Mutter der Brüder höchst begeistern die Weinauswahl, was sie milde Lächelnd erduldete während ihr Mann mit Varrani über die Jungend lästerte. Mindestens ebenso begeistert wie Vincent fachsimpelten Knut und Kevin über irgendwelche anatomischen Besonderheiten verschiedener Metas. Das alles und auch die vielen anderen Leute wurden nicht nur von den Zwillingen schweigend betrachtet auch Maria stand mit einer schwarzen Sporttasche in der Ecke und beobachtete die Personen mit einer Mischung aus Neugierde, Irritation und Ekel.

„Faszinierend oder?“, unterbrach Mario schließlich die Stille wieder. „Wie eine gute Simulation in der autonome Semi-KI – vielleicht sogar Sprites – miteinander agieren.“, meinte Sean und als Mario nachhackte, warum denn lediglich Semi-KIs fuhr der matrixaffine Elf fort: „Weil sie alle nur anhand bestimmter Vorgaben agieren, deinen bewussten und unbewussten Erinnerungen an sie sowie den sich daraus ergeben wahrscheinlichen Verhaltensweisen. Sie sind aber unfähig Entscheidungen zu treffen die autonom von deinen Erwartungen allein auf ihren eigenen Erfahrungen, Disposition, Wahrnehmung und Analyse beruhen.“. Der Schwarzmagier nickte darauf hin wenngleich sein Mund sich zu einem amüsierten Grinsen Verzogen hatte und erwiderte: „Was du eigentlich sagen willst ist, dass ich im Grunde genommen Selbstgespräche auf einem höherem Niveau führe, dass die Interaktion mit dir und den anderen Personen hier so viel mit Zwischenmenschlichen Austausch zu tun hat wie Selbstbefriedigung mit Sex.“. Sean zuckte kurz mit den Schultern. „Das waren jetzt deine Worte.“.

Erneut schwiegen die Brüder einen Moment, dann war es wieder der Magier der das Wort ergriff: „Selbstbefriedigung kann auch Stress abbauen und Glücksgefühle verursachen, vor allem bei solch einer real wirkenden Simulation.“. Nun war es Sean der kurz breit Grinste: „Du hast mir immer gesagt, ich soll mich nicht in Virtuellen Welten verlieren, weil Sie nur die klar wahrnehmbaren Sensorischen sinne bedienen und innerhalb festgelegter Parameter ablaufen die keine nachhaltigen Erfahrungen ermöglichen.“. Mario schmatze kurz nachdenklich und nickte erneut: „Ja, da hast du - da habe ich wahrscheinlich recht – aber es gibt einen unterschied mit etwas zu experimentieren und es ab und an zu genießen oder sich darin zu verlieren.“. Der Magier erntete von seinem Bruder nur ein fast gleichgültiges Schulterzucken, dann erhob Mario erneut das Wort: „Aber – bitte entschuldige – für meine weitere Simulation bist du so dienlich wie ein Foto von dir bei der Selbstbefriedigung.“.

Sean rollte noch ob der vulgären Worte mit den Augen doch dann verblasste er auch bereits gleichsam fast allen anderen Personen im Raum. Übrig blieben nur Kevin und Diego, zufrieden Klatschte Mario in die Hände: „Kommt, wir suchen das Schlafzimmer.“.

---

Oktober 2075, NeoNet Hauptquatier

Zitat

---

Das enge Businesskostüm schmeichelte Maria Sanchez, sie gehörte zwar nicht zu den Frauen die krampfhaft versuchten die Zeichen des Alterns zu verstecken, wohl aber ging sie Elegant damit um. Sie war nervös, nicht etwa weil sie mit der Dauer-Collegaffäre ihres Sohnes zum Essen verabredet war, sondern weil sie auf relevante Zahlen wartete, die sie für einen späteren Termin noch unentbehrlich brauchte. Obwohl sie ausgesprochen gut darin war, sich diese Anspannung nicht anmerken zu lassen, registrierte Mario, wie sie zum wiederholten Mal ihr Kommlink checkte. Der Elf zupfte seine Krawatte zurecht, lächelte so charmant wie er konnte und versuchte mit etwas Smalltalk die Zeit zu vertreiben, in der die Beiden noch auf Diego warteten: „Du wartest noch auf einen Anruf?“. Maria lächelte mindestens ebenso charmant zurück bevor sie knapp „Arbeit“ antwortete. Wenn nicht die Betonung allein, dann doch spätestens der stechende Blick, den sie dem Elfen dabei zuwarf, machte klar, dass sie damit eigentlich meinte: Echte, ehrliche Arbeit und nicht etwa irgend so ein geisteswissenschaftlicher Firlefanz.

Mario verstand die Botschaft durchaus, nickte sanft lächeln und schwieg gerade lang genug um den Eindruck zu erwecken er hätte sich damit zufrieden gegeben, dann aber konterte er in sanften, ruhigem Ton und weiterhin charmant lächelnd: „Ich habe übrigens jüngst promoviert.“. Höflich künstelte die Finanzchefin von NeoNet ein Interessiertes „Ach ja?“ und schwieg nun ihrerseits gerade lang genug um den Eindruck zu erwecken sie würde sich damit geschlagen geben, doch in dem Moment als die Mundwinkel des Halbitalieners sich zu einem süffisantem Grinsen verziehen wollten hakte sie weiter nach: „In -Zaubern-?“. Die Art und Weise wie sie von der Magieanwendung sprach erweckte den Eindruck, sie würde mit einem Kind sprechen, das ihr Stolz ein paar Kartentricks gezeigt hatte. Es war nicht einfach für den Schwarzmagier die Contenance zu behalten, erst nachdem er sich auf die Zunge biss erklärte er so ruhig es ging: „In angewandter Beschwörung, meine Doktorarbeit handelt von den Handlungsmotiven von Geistern.“.

Bevor das Gespräch weiter eskalieren konnte kam Diego in den Flur. Er trug eine dunkelblaue Anzughose und darüber ein weißes Hemd dessen Kragenstrickerei die teure Herkunft verriet. Er hatte sich jedoch weder die Mühe gemacht, das Hemd in die Hose zu stecken, noch Sakko oder Krawatte zu Tragen und wirkte so insgesamt deutlich legerer als seine Begleiter. „Diego du willst doch nicht etwa in diesem Aufzug los?“, empörte sich seine Mutter und obgleich sie kein Zweifel daran ließ, dass es keine Frage sondern eine Aufforderung war zuckte ihr Sohn nur desinteressiert mit den Schultern: „Wieso? Ist doch nur Hemdpflicht im Fünf Sterne.“. Frau Sanchez schnappte nach Luft doch ehe sie eine Diskussion über die angemessene Kleidung im besten Restaurant der NeoNet Akrologie beginnen konnte erhob Mario das Wort, ruhig aber bestimmt: „Diego – zieh dich anständig an, du wirst deine Mutter nicht durch diesen Aufzug blamieren.“. Der Latino funkelte Mario mit zusammen gezogenen Augenbrauen an und schien kurz etwas erwidern zu wollen, doch der Elf wiederholte nur auffordernd seinen Namen: „Diego.“.

Der Sportstudent schnaufte einmal, drehte dann jedoch auf dem Absatz um und ging zurück in sein Zimmer. Mario warf wieder einen Blick zu Diegos Mutter und schenkte ihr das süffisanteste Lächeln, das er auffahren konnte: „Wo waren wir? – Ach ja – ich wollte sagen das du natürlich vollkommen Recht hast, mit Zahlen komm ich wirklich nicht gut zurecht.“. Beide wussten, dass er eigentlich gesagt hatte: „Dafür kommst du nicht mal mit deinem eigenen Sohn zurecht.“, beide aber lächelten sich nur charmant an, doch Schwarzmagier genoss dabei das leichte Zucken im Mundwinkel der Megakonzernvorständin ungemein.

---

Im 80. Stockwerk in dem Haus das es nicht gibt

Zitat

---

„Aber du würdest dir lieber wünschen das vier Jungs mit Tommys einen drive by den Schlitzaugen vollziehen und sie und ihre Läden zu Klump schießen?“, Al’Capone – das heißt das Klischeehafte Abbild nach Marios Vorstellung des legendären Mafiosis – nahm einen Schluck nussbraunen Bourbons aus dem Kristallglas auf der Bar an der beide saßen während der Magier bestätigte: „Wir sind im Krieg mit ihnen und je eher wir ihre Ressourcen, ihre Männer dezimieren je weniger Verlustreich wird es für uns.“. Der ergraute Mafiosi in dem feinen Nadelstreifenanzug lachte kurz nasal auf ehe er sich auf Barhocker aus edel gesteppten, grünen Leder mit kleiner Rückenlehne zu dem Elf drehte und ihm mit seiner rauen, behaarten Pranke von Hand väterlich die Wange tätschelte. „Oh Bambino,“, Capone klang Amüsiert aber dennoch belehrend, „du denkst nicht langfristig genug. Es geht nicht um den Krieg, es geht nicht darum möglichst viele Schlitzaugen um zu nieten. Versteh mich nicht falsch, ich bin der letzte der was dagegen hat wenn sie die Radisschen von unten betrachten, aber hierbei geht es ums Geschäft und das Geschäft ist es den Leuten Sicherheit zu verkaufen. Wenn du Blei und Blut auf die Straßen gießt halten dich die Leute für einen wahnsinnigen Kriminellen, wenn du dich aber der Aggressionen eines brutalen Tyrannen erwehrst dann bist du der Unterdrückte, der Held, der Underdog.“

Mario nickte und starrte dabei nachdenklich in den Whisky den er leicht im Glas schwenkte ehe er die Ausführungen des längst Verstorbenen beendete: „Ich Kann ihnen kein Gefühl von Schutz verkaufen wenn als Aggressor auftrete. Der feine Unterschied zwischen Schutzgeld und Erpressung.“. „Jetzt hast du’s kapiert Bambino!“, der alte lachte rau und klatschte mit seinen großen Händen erfreut. Beide stießen ihre Gläser klirrend aneinander und genossen ein Schluck des Destillats eh Mario nach einem Moment der Stille dann doch Nachsetzte: „Aber wenn ich Wege finde sie verdeckt, aus den Schatten heraus zu schwächen, dann sollte ich das wahrnehmen.“. Capones Blick verfinsterte sich kurz: „Du willst doch nicht etwa die Bullen einschalten? Oder die Presse? Bambino lass die Finger davon!“. Der Elf schüttelt den Kopf und hob besänftigend die linke Hand: „Ich bin kein Narr, aber wenn nicht auf der Straße, so können wir sie vielleicht auf anderen Eben schwächen. – Hier verschwindet einer ihrer Gangbosse, dort hat ein Wagen die falsche Lieferadresse, solche Dinge halt.“.

Die Antwort des Altmafiosos war ein tiefes, unzufriedenes Brummen: „Du spielst mit dem Feuer Bambino.“. Mario nickte leicht ehe er sich erhob „Ja, - ich weiß, aber das hast du und jeder andere Mann, der es zu was gebracht hat auch. Aber ich muss los Scarface, Ciao“. Al’Capone zuckte nur mit den breiten Schulter: „Ciao Babino.“, dann drehte er sich wieder seinem Drink zu ehe sich langsam gemeinsam mit seiner Umgebung in einem hellgrauen Nebel auflöste.

---

18.11.2075, Abends, das Haus der Morellis und Maria

Zitat

---

Auf der Rechnung standen zwei Steaks, eines raw, eines medium und ein großer Salat. Doch Mario nahm nur einen Teller, eine Gabe und ein Steakmesser um sie neben dem gefüllten Weinglas zu drapieren. Während er das halb gebratene Steak samt Beilagen vorsichtig von der Styroporbox auf das Porzellan umlagerte legte er das kaum gebratene Steak in den Edelstahlnapf auf den „Loki“ eingraviert stand. Es hatte eine Weile gedauert, aber mittlerweile aß der Fenriswolf nur noch aus Marios Hand oder was dieser ihn in seinen Napf legte, der Mafiosi hatte zu oft in schlechten Trids gesehen wie Wachhunde mit einem Steak abgelenkt oder gar vergiftet wurden. Die restlichen Beilagen füllte Mario zusammen mit dem Salat in einen anderen Edelstahlnapf, auf den mit schwarzen Lettern Diego geschrieben stand.

Beide Näpfe stellte er nun rechts und links neben seinen Stuhl, dann pfiff er kurz. Loki kam weitaus enthusiastischer in den Raum gerannt als Diego der ihm mit knallrotem Kopf hinterher krabbelte. Diego müsse verstehen, hatte ihm Mario eingeredet, dass Loki eine Rangordnung in diesem Rudel lernen muss, es würde aber das Selbstbewusstsein des jungen Wolfes zu sehr schaden in dieser Rangordnung ganz unten zu stehen, also müsste Diego diesen Platz einnehmen. Natürlich war das unglaublich erniedrigend für den Latino, aber deswegen war es zugleich auch mit gleicher Intensität erregend für ihn und eben dieser Gefühlsmix in seiner Aura genoss Mario zusammen mit seinem Steak.

Natürlich war es auch die Macht über den physisch weitaus stärkeren und wohlhabenden Sportstudenten die Mario selber erregt – aber das gestand er sich bei weitem nicht so bewusst ein. Mario war schnell darin bei anderen zu erkennen, wonach sie Streben, welche ihrer Triebe besonders ausgeprägt waren und wie er sie mit Hilfe dieser Manipulierte. Diego, der sein Leben lang der starke, verwöhnte, be- und geliebte Mittelpunkt seiner eignen Welt ohne jegliche Grenzen war sehnte sich nach Erfahrungen die ihm völlig unbekannt waren, nach jemanden der ihn wie Dreck behandelte und ihm Grenzen aufzeigte. Sein anderer Liebhaber, Kevin, war eigentlich das Gegenteil, die strenge, leistungsgetriebene Erziehung bildete in ihm eine Abhängigkeit nach Anweisung, Tadel und väterlicher Anerkennung. Sein Vater hingegen strebte klar nach Macht und Respekte, scherte sich jedoch wenig um die Meinung von vermeintlich Schwachen. Mario war es seltsamer Weise gelungen seinen eignen Wert zu beweisen, indem er seinen Einfluss auf Bollner Junior demonstriert hatte, dann aber seinem Vater mit ausreichend Demut begegnet war. Dieses Vorgehen hatte den Stadtrat fast zu einer Art politischen Mentors gemacht. Marios Professor, Millheimer, war ähnlich gestrickt, bewies man sich ihm und begegnete ihm mit dem nötigen Respekt war er durchausbereit mit diesem vermeintlich würdigen Schüler sein Wissen zu Teilen.

Seine Kollegen hatte er ähnlich nach ihren Trieben analysiert, er sah in Maria eine von tierischen verhalten geprägte Getriebene. Sie strebte danach das stärkste, gefährliche Raubtier zu sein, dass allen anderen durch ihre Kämpferischen Fertigkeiten überlegen war. Ihre soziale Inkompetenz die beizeiten schon unfreiwillig komisch wirkt kann auch als reiner, effizienter Pragmatismus gewertet werden, sie verschwendet keine Zeit auf Dinge, die Ihrem Streben nach Macht durch Stärke nicht dienen. Wenn man also etwas Wichtiges von ihr wollte, dann sollte man ihr am besten bewusst macht wie das ihrer persönlichen Entwicklung dient, vor allem im Gegensatz zu ihrem Umfeld. Knut war ihr in ihrem Streben nach der Perfektion der eigenen Fähigkeiten nicht unähnlich, wenngleich wohl auch seine unterhaltsame religiöse Überzeugung ein wichtiges Handlungsmotiv ist. Zumindest aber ist der Gnom im Umgang mit seinem sozialen Umfeld weniger unbeholfen als die Nächtliche.

An der Gabel aufgespießt hielt Mario Diego ein Stück vom Steak hin: „Willst du etwas?“, fragte er fast beiläufig, doch gerade als der kniende Student den Mund öffnen wollte nahm der Schwarzmagier das Stück zur anderen Seite und fütterte Loki stattdessen damit während er spöttisch meinte: „Na – besser nicht - Fleisch ist nur was für Jungs.“. Er konnte Diegos Mischung aus Wut, Erniedrigung, Scharm und Erregung noch Minutenlang auf der Zunge Kribbeln spüren während er weiter aß.

Bei Mädchen musste er unweigerlich an Serafina denken, sie schien ihm in ihrer emotionalen Entwicklung irgendwo um sechzehn stecken geblieben zu sein, vielleicht Trauma bedingt. Sie sehnte sich diesem Alter typisch nach romantischer oder brüderlicher Liebe. Mario musste dahingehend sein Bruder unbedingt zügeln, wenn sie die Loyalität der Einbrecherin wollten mussten sie ihr eine Schulter zum Ausheulen und ein paar gesellige Abende anbieten. Vincent war ein ähnlich harmoniebedürftiger Familienmensch, was etwas suspekt wirkte für einen Mafiavollstrecker. Er versuchte krampfhaft ruhig und höflich zu bleiben und fürchtete gerade soziale Konflikte schon beinah paranoid. Um ihn zu manipulieren musste man ihm klarmachen, dass was er tun sollte dem wohl der Familie dienen würde und gegeben Falls ein notwendiges Übel sei und aufgrund seines unorthodoxen Streben nach einvernehmlichen Entscheidungen fragt man ihm besser vorher noch nach seien Meinung und gibt ihm zu verstehen das man sie ernst nimmt und respektiert.

Mario genoss es den lieblichen Rotwein an seinem Gaumen vorbei die Kehle hinunter fließen zu lassen. Als er in dem leeren Glas sein verzerrtes Spiegelbild sah wurde ihm klar, dass die einzig rationalen Leute in ihrem Team sein Bruder und er waren. Sean durchblickte Systeme – aus Zahlen, Codes, Paragraphen und so weiter. Solange etwas klarem Bedingungen und Regeln folgte und nach diesen zu beeinflussen war konnte sein Bruder es verstehen und kontrollieren. Bei Mario war es umgedreht, sobald etwas durch Gefühle, Willen und Intuition getrieben wurde liebte er es zu analysieren und zu manipulieren.

Vorsichtig tupfte sich der Elf mit der weißen Serviette die Lippen sauber ehe er sich erhob und Tür ansteuerte. Ohne zurück zu sehen schnipste er einmal mit den Fingern und meinte: „Komm, wir gehen Gassi.“.

---

30.11.2075 "Thanks Giving Nachfeier" oder die Spendengala des Stadtratskanidaten House

Zitat

---

„Liebe Freunde und Kollegen, liebe Gäste. Ich freue mich unheimlich euch alle heute hier willkommen heißen zu können.“, Mario formte mit seinen Lippen die Worte von House Rede nach, er kannte sie auswendig, nicht zuletzt weil er sie geschrieben hatte, auch weil er sie mit dem Menschen, auf den Scheinwerfer und Kameradohne gerichtet waren, etliche Male durchgegangen. House hatte ein fundiertes und durchaus nützliches Wissen über den politischen Apparat, vor allem über die Republikanische Partei, aber er hatte den Charm eines Gebrauchtwarenhändlers. Unwillkürlich schielte er bei dem Gedanken zu Dagobert Farmer herüber und fragte sich, ob es in großen Kaufhäusern wohl eine Abteilung gäbe, mit Anzügen für Gebrauchtwagenhändler und Versicherungsvertretern. Mario sollte einen neuen Metatypus definieren, der Humanis Schmierigus war ein kriecherischer aber dennoch großkotziger Aasfresser, der sich von dem ernährte was größere Raubtiere nicht mehr haben wollten. Seien Gattung war leicht an billigen Anzügen zu erkennen, die etwas zu groß oder zu klein – niemals aber passend waren.

Aus den Gedanken gewissen wurde er von der Ulriques Hand die Sanft über seine Hüfte glitt. Er wandte sich um und schenkte ihr ein verschmitztes Lächeln. Die Affäre mit ihr wurde langsam anstrengend, gut den Schwierigsten teil übernahm sein Bruder aber dennoch war es ihm lästig. Zumindest hatte sie ihre Kontakte nutzen können um House einen Bericht in den Bostoner Abendnachrichten zu besorgen, das war die Mühe wohl durchaus wert gewesen. Der Schwarzmagier beugte sich vor um ihr ein Kuss auf die Wange und ein anrüchigen Kosenamen ins Ohr zu Hauchen. Er war sich bewusst das es auch für Nielhaus mehr ein Abenteuer als etwas von belang war – aber Mario konnte sich kaum vorstellen, dass sie wusste wie falsch das Spiel tatsächlich ist.

Als Bollner sich samt Familie in den Galasaal schob nutzte Mario ihn begrüßen zu müssen als Ausrede sich für den Moment aus der Affäre zu ziehen. Bollner war Marios wichtigster politischer Kontakt gewesen. Die Zwillinge wollten sich nicht allein auf House verlassen was politische Expertise anging, was zur Folge hatte, dass Mario mehr Nähe zu dem erfahrenen Stadtrat suchte. Ganz nebenbei ergab sich dadurch ein regelmäßiger Kontakt zu Kevin, was Mario wiederum wesentlich angenehmer war als die erzwungene Zeit mit Nielhaus. Es viel dem Elf aber schwer zu sagen, wie genau er seien Beziehung zu Bollner Junior und Senior definieren sollte. War es Mario der Kevin als emotionale Geisel hielt um Einfluss auf dessen Vater zu haben oder war es Bollner der seinen Sohn Mario überließ um damit Kontakte zur Familie zu hegen und Einfluss auf House zu haben. Vermutlich lag die Wahrheit dazwischen auch wenn die beiden Republikaner wohl unterschiedlicher Meinung waren wo genau. Nur Kevin war sich wohl seiner Bedeutung als Verhandlungsmasse in diesem kleinen Machtpoker nicht bewusst.

Noch während der Zwilling dabei war die Bollners mit Champagner zu versorgen, hörte er House von Sicherheit, Aufschwung und Zukunft reden. Er hätte genauso gut „Amerika fuck yeha!“ rufen können, der Wahrheitsgehalt und die Grundaussagen wären in etwa die selbe gewesen, doch Mario hatte sehr viel Zeit in eine Rede investiert, mit deren Hilfe House den Kontext wesentlich eloquent klingender transportierte. Den republikanischen Geldsäcken und ihren Gesinnungsgenossen, die sich hier versammelt hatten, schien es zumindest zusammen mit den fetten Truthähnen und dem reichlich Alkohol genügend zu gefallen um sie in Spendenlaune zu bringen. Die gut 160 Gäste, von denen auch nur ein Teil aus Chinatown kam, hatten nicht annähernd genug Stimmen um im Wahlergebnis aufzufallen, dennoch würden sie wohl mehr als die meisten anderen Wähler über den neuen Stadtrat bestimmen. Keine demokratische Wahl wird durch Ideologie und gute Vorschläge gewonnen, sondern durch Geld. Geld welches eine Marketingmaschine anfeuert, die den Wählern einredet wo ihr Kreuz am besten aufgehoben wäre. Und diese Kompanie an Pfeffersäcken hatte genug Geld um die Wahl zu entscheiden

Also stur lächeln und höflich über kleine, kreativlose, rassistische, sexistische und rückwärtsgewandte Witze lachen. Dabei ein Auge immer beim Team lassen, das Knut nicht über die Arbeit sprach was die Leute dazu gebracht hätte sich den kostbaren Vogel nochmal durch den Kopf gehen zu lassen oder das Maria nicht jemanden tötete weil er eine hektische Bewegung machte oder das Serafina nicht an Schnappatmung starb weil Sean aus langer weile Ihr Kommlink mit pornographischen Spam flutete oder das Vince versuchte mit dem Charme eines Opossums nett zu reichen Witwen zu sein. Wie Mario es genauer bedachte sollte er sie Vielleicht besser beschäftigen als ihnen nur ein Auge zu widmen, er würde bestimmt jemanden finden denn sie observieren, hacken und auflauern sollten, dann könnte er wieder in Ruhe seinen Acker hier bestellen.

---

Weihnachten 2075, Boston

Zitat

---

Mario mochte Weihnachten, er hatte sich schons eit Tagen darauf gefreut, gewiss die klebrige, weihrauchlastige Hintergrundstrahlung in den Kirchen schmeckte immer wie ein Hustenbonbon, den man noch vergessen vom letzten Winter in der Manteltasche fand, aber all die Tradition und das viele, köstliche Essen drum herum waren das was Mario gefiel. Dieses Jahr war minutiös durchgeplant und beinahe hätten ihm die Verpflichtungen für die Familie völlig aus der Bahn geworfen. Luftdämonen waren einfach nicht seine übliche Sphäre gewesen und das hatte dieser seinem Beschwörer auch deutlich spüren lassen.

Mittags am 24. mit seinem Bruder und ihren Eltern essen, dann am Nachmittag das Paket austragend, Schmerzmittel schlucken, anschließend zu der Familie und dem italienischen Gottesdienst samt Umtrunk. Später ging es dann zur Mittnachtsmesse wieder mit den Eltern um danach im alten Kinderzimmer zu übernachten, oder besser gesagt dem, was davon übrig geblieben war. Kaum waren die Zwillinge ausgezogen hatte Morelli Senior aus einem der Zimmer einen Heimwerkerraum und aus dem anderen ein Nähzimmer gemacht. Jetzt schliefen ihre Sprösslinge zwischen Sägen und Stoffballen auf Gästebetten. Mario war es egal gewesen er viel nach all dem Gerenne, Nasenbluten, Drinks und Weihrauch schwer wie ein Stein ins Bett.

Nicht verändert hatte sich das mannigfaltige Feiertagsfrühstück inklusive Fruitloops und Pancakes mit Ahornsirup, das machte vieles wieder gut, das und die folgende Bescherung. Natürlich freute er sich über den selbstgestrickten Pullover, natürlich würde er ihn anziehen, ja natürlich war es toll, dass sein Bruder denselben hatte - Mario wusste wann es überlebenswichtig war Wahrheiten kreativ zu formulieren. Glücklicher weise zwangen ihm der Terminplan dann weiter, er musste kurz mit Sean bei House vorbeischauen um mit ihm den Weihnachtsgruß ab zu drehen und anschließend zu Bollners fahren: Fünf Gänge, vier kleine Präsente, drei unterhaltsame Anekdoten, zwei Gläser Wein und ein heimlicher Quickie. Anschließend hieß es mit Junior in das Bostoner Nachtleben zu verschwinden um irgendwo zwischen buntem Blitzlichtgewitter, lauten Technobeats und nackten Oberkörpern Diego zu treffen. Die Beiden umkreisten sich noch immer wie zwei territoriale Katzen, zickten und buhlten um Mario, der es zu sehr genoss um aktiv was dagegen zu tun, außer ihre emotionale Abhängigkeit von ihm regelmäßig zu befeuern.

Es war schon früh am Morgen als sie schließlich am abgelegen Holzhaus der Mafiosi ankamen. Maria schien gerade Frühstück – oder Abendessen wohl zu haben und Mario überlegte kurz, wie er ihr erklären sollte, dass er mit zwei Liebhabern Heim kam. Glücklicher weise ersparte ihm ihr offensichtliches Desinteresse jegliches, volltrunkenes Gleichnis zwischen polyamoren Beziehungen und Rudelhierarchien. Nach viel zu wenig Schlaf und der anschließenden Erkenntnis, dass die heimische Dusche für drei Personen definitiv zu eng ist sowie dem Versuch die Augenringe mit Make-up zu vertuschen wurde Kevin wieder nach Hause gefahren. Für Mario hieß das auf zum letztem – und schwersten – Gefecht, NeoNet Vorstand und Familien Konzerndinner, das hörte sich weitaus exklusiver an als es wirkte wenn man die gut 200 Personen auf einmal sah ind em Bankettsaal sah.

„Mein Doktortitel fehlt.“, stellte Mario kühl fest als er das Pappschildchen mit seinem Namen in goldgeprägter Schrift vom Porzellanteller kritisch mit zwei Fingern anhob. „Oh“, erwiderte Diegos Mutter so deutlich schlecht gespielt überrascht, dass Mario bewusst war, dass sie ihm wissen lassen wollte nicht überrascht gewesen zu sein: „Muss wohl Untergegangen sein.“. Mario lächelte gespielt und wandte sich zu Diego griff ungefragt in dessen Hemdkragen und zog eine silbern glänzende Kette mit einem poliertem Dogtag daran hervor und hielt es Diegos Mutter entgegen, ohne sich darum zu scheren das ihr Sohn ob des plötzlichen Manövers beinahe das Gleichgewicht verlor als er hastig zwei Schritte nach vorne stolperte. „Was hältst du von Diegos Weihnachtsgeschenk von mir?“, fragte der Elf lächelnd Maria Sanchez. Deutlich konnte man auf der Marke lesen ~Diego Sanchez – Property of Mario Kieran Morelli.~. Doch die Finanzchefin lächelte nur Kühl und ging auf die Symbolbedeutung nicht im geringsten ein: „Oh ist das Weißgold? Ich hab gesehen das der Preis dafür ziemlich in den Keller gefallen ist, da kann man sich solche Kleinigkeiten durchaus leisten.“. Mario biss sich heimlich auf die Zunge um nicht aus seiner Haut zu fahren. Diese Treffen, diese Kreise waren ein Haifischbecken und Diegos Mutter ein richtig großer Fisch, Mario war sich nur nicht sicher ob er ihr Futter, Feind oder Schüler war. Mario mochte Weihnachten nicht, hoffentlich würde es bald vorbei sein.

---