New York, Ney York

Mail nach Hause.

Empfänger: O'braden, Franz Winfired // FranzWinfriedObraden@skmail.xorg
Tach Paps !
New York ist ganz nett. Hübscher Park gleich neben dem Wohnkomplex, saubere Unterbringung, wenn auch etwas beengt. Stört aber nicht.
Hauptsächlich Wachdienst geschoben, paar interessante Leute getroffen, ansonsten ist nicht viel los.
Erstaunlich wenig Metas gibts in der Gegend, man braucht aber schon höher eingestufte SINs um in einige Bereiche überhaupt reingelassen zu werden.
Die Sicherheit ist aber auch angemessen, wir hatten einen kleinen Zwischenfall mit zwei vermutlich asiatischen Verbrechern, die kamen aber nicht weiter als bis ins Foyer.
Ich habe neben Medizinischer Weiterbildung einige Erste-Hilfe-Kurse eingebucht, speziell um mit dem aktuellen Equipment klarzukommen.
Bin Weihnachten wieder da.

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Empfänger: Miller, Jennifer // FireJane54@skmail.xorg
Tach FJ,
New York ist zwar ganz lustig, aber ich kann nur hoffen daß euer Familienurlaub weit weniger langweilig ist als unser Wachdienst.
Der Biß gab keine wirklich sichtbaren Narben, das sind uncoole Scheißviecher.
Danke für die Karte, sehn uns dann in zwei Wochen im VR

Versetzungsantrag

Person: Timotheus O'braden

Begründung:
Eigene Qualifikationen und persönliche Talente werden nur sekundär eingesetzt.
Elektronische Fähigkeiten sind in der aktuellen Einheit durch Aktivposten mit besseren Qualifikationen abgedeckt.
Ich weise darauf hin, daß durch meine anderen Arbeitsweisen meine eigenen Fähigkeiten durch Erfahrungen von Spezialisten nicht geschult werden.
Erfolge in meinem derzeitigen Arbeitsbereich bieten keinen Grund zu persönlicher Verbesserung in dieser Einheit.

Sekundärantrag
Stelle Antrag auf SK-Abendstudium außerhalb der Einsatzzeiten (Freizeit / Bereitschaftszeiten).
Qualifikation für Fächer Informatik und Medizin / Nanowissenschaften sind vorhanden, betreffende Formulare sind im Anhang beigefügt.

Nachdem Timmy mit ein paar der anderen am Tisch sitzenden Herren das eine oder andere Glas Vodka geleert hatte, war er äußerst froh darüber einen Stamm seiner Entgiftungsnaniten auf den Alkohol angesetzt zu haben.
Er wollte schließlich nicht unangetrunken wirken, aber trotzdem einen einigermassen klaren Kopf behalten. Einer der Spielgefährten des Gastgebers hatte ihm für seinen Geschmack durchaus zu oft aufmunternd zugezwinkert.
Irgendwann hatte Timmy dann belanglos zum Wegwerf-Kommlink gegriffen und die unfreiwillig albernsten Pornoszenen seines organisierten russischen "Beispielmaterials" über den Bildschirm flackern lassen, was stellenweise lautes Gelächter bei den Vory-Muskeln ausgelöst hatte.
Etwas später saß Tim relativ entspannt zwischen zwei recht ansehnlichen Tänzerinnen.

Interessante Situation... aber bleib konzentriert. Das sind alles Profis und hier gibt es nichts anderes als eine Art des Geschäftemachens.
Tim überlegte kurz, was wohl Ken-Ed-Y zu der Sache sagen würde. Vermutlich irgend etwas über profitinduzierte humanoide Balzrituale ohne tiefergehende Reproduktionsabsichten.
Er verwendete einen Teil seiner Aufmerksamkeit darauf, sich den Beiden gegenüber nicht wirklich respektlos zu benehmen - auch wenn das Beiden vermutlich Dreksegal war - aber beschränkte seine Kommunikation ihnen gegenüber auf das eine oder andere einfache oder anfeuernde Kompliment.

Die beiden Täzerinnen passten wahrscheinlich prima als Rahmen zu seinem Billig-Disko-Outfit. Bei anderen Gästen des vorderen Teils des Dollhouses war ihm aufgefallen, daß mindestens drei davon dieselbe geschmacklose Hose trugen wie er selbst gerade.
Da störte es auch nicht daß die öligblauschillernde, schwarze trend-des-Monats-Haarfärbung, die er sich am Nachmittag verpasst hatte (Der Aufkleber auf dem NanoColor-Pack hatte geworben: "Nach wahlweise 3, 7, 14 oder 30 Tagen rückstandsfrei selbstentfernend - Mit Chummer-Garantie !) mindestens ebenso hochmodisch wie unecht wirkte.
Das Zeug gab den Haaren zudem eine leicht Silikonartige Konsistenz. Praktisch gesehen sparte das enorm an Haarspray, vorausgesetzt man wollte eine Weile lang so bescheuert aussehen als stammte man von der Titelseite eines Teenie-Magazines mit einer Zielgruppe, die entweder einen enorm hohen Kreischfaktor oder einen enorm geringen Intelligenzquotienten voraussetzte.

Die Platin-Blondgelockte Tanzdame (Pseudonym:"Natalie") im roten Spitzen-Négligée über seinem linken Knie war dazu übergegangen ihm ihre linke Brust, deren geschätzter Silikonanteil irgendwo zwischen 25 und 35 Prozent lag, zwischen mehr oder minder anmutigen, Ballettähnlichen Tanz- oder Dehnübungen ins linke Blickfeld zu schieben. Die halbasiatische, schwarzhaarige (exotische) Tänzerin (Künstlername: Nagasaki) rechts vor ihm schien sich eher auf die Wirkung ihrer ziemlich langen, elegant-muskulösen Beine und ihres Hinterteils zu verlassen(vermutlich Silikonfrei), wobei sie ihm Letzteres zudrehte und sich erst kerzengerade vornüberbeugte. Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und beugte sich hintenüber bis sie Kopf, Arme und Schultern zwischen den Beinen durchsteckte - wobei sie es ihren hohen, silbernen Absätzen zum Trotze auch noch fertigbrachte zugleich die seitlichen Reißverschlüsse ihres silbern glitzernden Discokugeloptik-Bodys zu öffnen UND das Gleichgewicht zu halten.

Timmy war eine Weile damit beschäftigt schwarze Balken über sein virtuelles Gesichtsfeld zu blenden, bevor er die Damen applaudierend entlassen durfte und wieder zum Vodka-Glas griff.

Italien.
Italien wäre fast sowas wie ein netter Urlaub mit Abenteuereinlage gewesen, wenn das dortige WiFi nicht beinahe Kopfschmerzen verursacht hätte.
Am Flughafen einmal ins VR zu schauen hatte in etwa den Eindruck hinterlassen als würde man den Kopf in einen Topf klebriger Spagghetti Bolognese stecken.
Und zwar in einen Topf Spaghghetti Bolognese mit extra viel geschmolzenem Parmesankäse welcher sein Mindesthaltbarkeitsdatum um jene tödlichen drei bis vier Tage überschritten hatte, die man ihn in der prallen mediterranen Sonne hatte herumstehen lassen.
Das unpraktischste waren die wirren, Spagghettiförmigen Datenverbindungen gewesen, deren Anordnung weder organisch noch sinnvoll war. So hatte man zwischen zwei veraltete Knoten (deren Software zu rückständig war um miteinander zu kommunizieren) einfach einen bis zwei noch viel ältere oder zweckentfremdete Knoten geschaltet über die dann beide endlich (langsam und unsicher) Kommunizieren konnten - anstatt einfach mal ein Softwareupdate durchzuführen.
Vermutlich waren ein paar der Systeme einfach gehackt oder von vorne bis hinten zweckentfremdet.

Für die Soße nehme man dann noch eine Kelle Mangel an Sicherheitsmassnahmen, zwei Tassen völlig veraltete Betriebssysteme, drei Messerspitzen Matrixviren, eine halbe Tasse kritischer Fehlfunktionen, zwei gehäufte Esslöffel völlig Überlasteter Knoten die die ganze Zeit über nur noch "Hilfe ! Servicetechniker!" ins Netzwerk schreien, rühre das Ganze gut durch und schmecke schlussendlich mit einer Lastwagenladung völligen Desinteresses seitens der verantwortlichen Servicetechniker ab.
Timmy hatte keine Ahnung wie sie das fertig gebracht hatten, aber sogar aus dem Motorraum des Leihwagens quollen virtuelle Spagghetti Bolognese.

Die Mafiosis - Friedrichs Familie - hatten einen familiären, sogar freundlichen Eindruck gemacht.
Sie versuchten in ihrem Leben einen Ausgleich zu ihrer kriminellen Tätigkeit zu schaffen indem sie sich stilvoll und teuer kleideten und sich sehr zivilisiert gaben.
Tim fand, daß dies eine interessante Parallele zu jenen superreichen Familien darstellte, die scheinbar ohne Wissen oder Gewissen in ihrer eigenen Welt lebten.
Vermutlich, so sinnierte er, benötigte es eine ganze Menge Geld und materielle Güter um sich selbst noch ertragen zu können wenn man ausreichend legale oder illegale Untaten auf dem Kerbholz hatte.
Da gab es sogar noch mehr Gemeinsamkeiten : Beide Elemente waren in ihr Umfeld hineingeboren. Sie verhielten sich so, weil sie nichts Anderes kannten.

Und dennoch hegte Tim den Verdacht, Emily könnte ein wenig die Nerven verlieren wenn er sie auf jene bemerkenswerten Gemeinsamkeiten aufmerksam machen würde, welche sie mit dem Herrn im teuren Anzug teilte.
Vermutlich würde der Herr im Anzug über eine solche Bemerkung eher lachen und hinzufügen, daß er im Gegensatz zu den Superreichen wenigstens Stil und Ehrgefühl hätte...
Zumindest würde ihn Emily nicht direkt erschiessen lassen wenn ihr ein Kommentar nicht passte. Timmy muste kurz grinsen und unterließ dann wohlweislich jegliche Äußerung betreffend dieses Themas.

Der Rücktransport lief dann bis auf den kleinen Zwischenfall mit der Go-Gang (und den damit verbundenen Kopfschmerzen sowie der blutigen Sauerei) recht unproblematisch.

Dann war da noch die Sache mit dem Geräusch, das der Vori-Anwalt beim Öffnen des Sportwagen-Kofferaumes produziert hatte. Tim war sich sicher gewesen daß keine lebende Person dort drin transportiert werden könnte. Der Kofferraum des Sportwagens war zu klein um dort ein Lebenserhaltungssystem, Sauerstoffflaschen oder eine Klimaanlage unterzubringen. Dennoch hatte man kurz eine Stimme vernommen die wie die eines Kindes klang.
Nach einem kurzen Moment des erschreckten Nachdenkens war Tim zu dem Schluß gelangt daß es sich entweder um eine technische Vorrichtung oder um einen Geist handeln musste. Trotzdem beruhigte ihn der Gedanke daß die Information an die SK-Vorgesetzten weitergeleitet werden würde. Ein entsprechender Vermerk kam in seinen Bericht, alles Andere könnte den Auftrag gefährden.
Und schließlich bestand noch die recht hohe Chance, daß dieser Vori-Anwalt mit seiner verdrehten Mentalität sie einfach nur testen wollte.

Auf jeden Fall reichte Tim dieser Ausflug in die Kriminellen Unterwelten Hamburgs und Italiens fürs Erste einmal. Es war Zeit, sich mit etwas Anderem als Menschen zu beschäftigen, denen die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse wichtiger war als das Wohl der Allgemeinheit - Der goldene Drache würde schon wissen wie man solche Elemente langfristig am besten behandelte.

Sox, hm ? Fast wie zu Hause.

Eine viel größere Einrichtung, gut und schön, aber wegen der Menge an Bewohnern und der schieren Größe wirkte sie weit weniger steril, weniger gemütlich, fast ein bisschen weniger resonant - letzteres aber wohl eher nur wegen der hier nicht vorhandenen Kindheitserinnerungen.

Die Frau Professorin Moosberg, die diesen Einsatz leitete, wirkte zwar auf den ersten Blick ein wenig zerstreut und etwas unkonventionell (was durchaus ein beabsichtigter Eindruck sein dürfte) - wurde aber, wie Tim fand, ihrem Ruf als geniale Entwicklerin mehr als nur gerecht.
Der Umstand einer extrem hochtalentierten Person kann gewisse soziale Besonderheiten mit sich bringen., kam ihm die Stimme seines "Mentors" Ken-Ed-Y in die Gedanken. [i]Soziale Bindungen sind jedoch für komplexe biologische Lebensformen überaus wichtig. Wenn sich ein Metamensch Aufgrund eines starken Geistes und hoher intelligenz einen hohen Wissensgrad aneignet, entwickelt es dadurch auch ein komplexeres Moralverständnis, was die Kompatibilität der Person mit Individuen aus Gruppen geringerer sozialer Kompetenzen und oder Toleranzen beeinträchtigt, obwohl auch dieses Verständnis letztendlich der gesamten Gesellschaft großen Nutzen bringt. Bei uns digitalen Individuen entstehen keine sozialen Inkompaibilitäten dieser Art, da wir Informationen auf direkterem Wege austauschen können ohne dabei von emotionalem Ballast oder gar Hormonellen Ungleichgewichten behindert zu werden. Da wir bei Saeder-Krupp alle nach einer besseren Zukunft streben und da jeder von uns der Gesellschaft einen größtmöglichen Nutzen darbringen möchte, empfehle ich euch hiermit zutiefst, eure Fähigkeiten und euer Wissen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu vermehren. Es sei denn natürlich, die sich bietenden Gelegenheiten widersprächen geltenden Gesetzen oder bestehenden Entschlüssen Saeder-Krupps..."

So oder so, diese Mission war eine hervorragende Gelegenheit, eine Menge zu lernen.

Wissenschaft und Waffen lassen sich also herrlich kombinieren - eine ganz interessante Erkenntnis.
Eigentlich wunderte sich Timothy, warum er sich darüber vorher nie Gedanken gemacht hatte. "Vermutlich deswegen", dachte er halblaut, "weil Waffen dazu da sind um etwas kaputtzumachen. Ich mache viel Lieber etwas wieder ganz. Ich hatte aber überhaupt keine Ahnung daß es Spaß machen könnte, Waffen wieder ganz zu machen..."

"Eine bequeme Entschuldigung." meldete sich die meist irgendwie melancholisch klingende Stimme "Can-I-Die's" im AR-Bereich seiner Wahrnehmung.
"Can-I-Die" stellte nur eine der aufgeteilten Persönlichkeiten "KEN-ED-I's" dar, der KI die als sein technischer Mentor fungierte. Timothy hegte die Vermutung daß dies eine Art Kapazitätsbegrenzung war, damit KEN-ED-I nicht zu schlau wurde und damit jeden Gesprächspartner hemmungslos abhängte oder vielleicht irgendwie Gefahr lief, überzuschnappen.
Aber da KENNY es sogar geschafft hatte, für den KIs gegenüber eigentlich eher mißtrauisch eingestellten Saeder-Krupp-Konzern zu arbeiten, dürfte es diesbezüglich keine Probleme geben. Der Umstand legte eigentlich die Vermutung nahe, daß es sich bei der KI um eine SK-Interne Entwicklung handelte, aber niemand, auch KENNEDY, hatte dazu eine genauere Angabe machen können (oder wollen).
"Aber eigentlich musst du immer gewusst haben, daß irgendwer die Dinger irgendwann auch erfindet."

Tim brummte. Hauptsächlich deshalb weil er KENNY nicht ankommen gehört hatte, nicht weil er mal wieder Recht hatte. Das mußte bedeuten daß er mehr in Gedanken gewesen war als ihm bewußt (oder lieb) gewesen wäre.

"Wir treffen uns heute Abend um acht, in der üblichen Runde. Die heutige Runde erfordert zudem zwecks humanoider Feierlichkeiten deine physikalische Anwesenheit. Selber Ort wie immer. Danach gehts wohl in eine Kneipe."
"Um Acht ? Nicht wie sonst, um sieben ?"
"Du hast um drei eine psychiologische Nach-Ensatz-Untersuchtung. Das kann bis zu zwei Stunden dauern. Übrigens, du hast vor 3467 Nanosekunden eine Nachricht diesbezüglich erhalten. Die Sensoren deiner Ausrüstung haben bei dem Einsatz ein paar Daten aufgezeichnet, die sich außerhalb der Norm befinden, deswegen wurde ich als dein Ausbilder um eine kurze Bewertung gebeten. Biologische Standardprotokolle. Dein ganzes Team bekommt erstmal ein paar Wochen Urlaub. Ach, und FireJane ist aus ihrem Ausbildungscamp wieder da und lässt dich wissen, daß sie dir kräftig einheizt falls du deinen Hintern nicht physikalisch zum Treffen bewegst. Entschuldige, das war wörtlich zitiert - Ihr Ofen und ihr äußerst überlastet klingender Mixer lassen darauf schließen, daß sie einen Kuchen gebacken hat."

Timothy schluckte. An FireJanes letzten Kuchen vor etwa zwei Jahren konnte er sich noch sehr gut erinnern. Ihr musste damals der Zucker ausgerutscht gewesen sein. Allerdings hatte sie deswegen auch so deprimiert ausgesehen, daß jeder mindestens ein Stück gegessen hatte (mit Ausnahme von KENNEDY, der anmerkte daß teures Essen nicht gleich gesünderes Essen bedeutete und wie lächerlich dieser Umstand eigentlich sei).

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Timothy's Vater runzelte die Stirn.
"Die Innenrevision ?"
Timothy nickte und rollte eine Spagghetti durch die Bolognesesauce.
"Ja. Hast du die Sache mit den Explosionen in den Nachrichten verfolgt ?"
Sein Vater schüttelte den Kopf, dachte dann aber kurz nach und nickte dann: "Ich habs nur am Rand über nen Tridboard in der Kantine flackern sehen, aber Dr. Stein hatte gerade eine interessante Idee bei der Verwendung von semiorganischen selektiven osmotischen Membranen in Intravaskulären Nanoarchitekturen." (*1.)
Timmy verschluckte sich fast an seiner Nudel: "Tolles Zeug ! Ich hab seinen Artikel von letzter Woche darüber gelesen. Aber ich glaube nicht daß man damit langfristig Erythrozyten ersetzen kann, wenn noch ausreichend Leukozythen produziert werden, es sei denn man umgibt sie mit biologisch kompatiblen Zellplasma, was widerum die Membraneffizienz reduzieren kann..." (*2.)

Etwa eine halbe Stunde und zwei kalte Spagghettiteller später hatte sich das Gesprächsthema wieder in Richtung Innenrevision gewandelt.
"...ganz nützlich, aber unglaublich penetrant. Weisst du was ich in meiner Personalakte stehen habe ? Klaut manchmal billige Kugelschreiber. Klaut manchmal billige Kugelschreiber ! Was kann ich dafür, wenn die Dinger verschwinden und dann woanders auftauchen, wo man sie nie erwartet ?" (*3.)
Timmy machte ein gespielt entsetztes Gesicht: "Du klaust manchmal billige Kugelschreiber ?"

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Die silberne Kapuze der wuchtig gepanzerten Gestalt hielt das darunterliegende Gesicht so sehr im Schatten, daß das einzig Erkennbare darunter zwei bläulich schimmernde Augen zu sein schienen. Die wie Energiepeitschen scheinenden Flügel von Timmy's Matrix-Avatar leuchteten kurz als er abbremste und wuchtig auf dem Boden aufsetzte. Als er sich aufrichtete verschwanden sie im hinteren Teil der massiv wirkenden, poliert schillernden Rüstung. Die riesige Gestalt stapfte durch eine jubelnde Menschenmenge im Dallas des Jahres 1963, die sich vor ihm teilte und sich hinter ihm nahtlos wieder zusammenschloß ohne daß ihn jemand zu bemerken schien. (*4.)
Er ging zielstrebig auf ein wie in voller Fahrt eingefroren aussehendes Cabriolet zu, welches an der Front amerikanische Flaggen montiert hatte, die im wehenden Wind erstarrt schienen, und schob sich an einem Eskort-Motorrad vorbei.
Im Wagen saß, im Gegensatz zur historischen Szene, nur John F.Kennedy selbst. Alle anderen Personen waren ausgeblendet und nur schemenhaft zu erkennen.

Neben dem Wagen stand John F.Kennedy in einer etwas jüngeren Version, er betrachtete gerade eine in der Luft eingefrorene Kugel die sich neben dem Kopf des Kennedys im Wagen befand. (*5.)

"Eine beachtliche Präzision, oder ein glücklicher Schuß - was meinst du ?"

Timmys Avatar zuckte mit den massiv aussehenden, goldverzierten Schulterplatten.
"Ich bin kein Forensik-Experte. Hast du inzwischen alles soweit nachgestellt um herauszufinden ob Oswald wirklich selber geschossen hat ?"
Ken-Ed-Y gab der Kugel in der Luft einen kleinen Stubbs mit dem Finger, woraufhin sie anfing zu rotieren.
"Möglich. Du weisst, die Daten aus der damaligen Zeit sind unzureichend. Es gab viel zu wenig Hochauflösende Überwachungskameras. Das Bildmaterial ist als absolut mangelhaft zu bewerten. Vollkommen analog."
Timmys Avatar gab eine Geste von sich, die man nur als zustimmendes Nicken bezeichnen konnte.
"Sag mal, was weißt du über die Abteilung Innenrevision ? Durchwühlen die auch deinen Papierkorb ?"
Die KI schaute auf und lächelte freundlich.
"Die Abteilung Innenrevision ist für Künstliche Mitarbeiter eigentlich nicht zuständig. Ich habe mich jedoch ein paar Mal mit einem ihrer Psychologen unterhalten. Sein Handicap ist leider miserabel, aber er hat mir nützliche Einblicke in manche metamenschliche Denkweisen ermöglicht."
"Hmmm." brummte Timmy. "Bei einem Einsatz letztens haben sie einige Informationen zurückgehalten, ein paar meiner Teamkollegen wurden deshalb verletzt. Mich würde mal interessieren, warum die das gemacht haben."
"Lust auf eine Runde Golf ?"

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Eine ganze Weile später stand Timmys Avatar vor einem endlosen stählernen Aktenschrank in einem langweilig aussehenden Aktenraum dessen Wände sich fast bis zur Unendlichkeit streckten. Dabei schillerte er durchsichtig, seine Oberfläche wurde von der Figur einer generischen Buchhalter-Persona überdeckt. Eine kleine silbrig leuchtende Fee kam kichernd aus dem Schlüsselloch einer der geschlossenen Schubladen geflogen, landete auf seiner Schulter und begann ihm ins Ohr zu flüstern.

Am nächsten Morgen drückte Timmy Anthony einen Chip mit einer verschlüsselten Datei darauf in die Hand.

Zitat

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Die Abteilung Innenrevision hat eigentlich die Kernaufgabe, die Effizienz und Verläßlichkeit jedes Mitarbeiters zu gewährleisten. Die Zahnräder im Getriebe am Laufen halten. Egal ob jemand sich arbeitsmässig so verausgabt daß er seine Gesundheit und Effektivität gefährdet, ob jemand Kugelschreiber klaut oder insgeheim Geld auf private Konten abzweigt, oder ob jemand im Büro regelmässig Pornotrids schaut anstatt zu arbeiten - die Innenrevision soll diese Leute ausfindig machen und solche Probleme vermeiden oder beseitigen.
Abgesehen von den Gesprächen und Beratungen werden dafür auch eine Menge persönlicher Daten gesammelt. Diese werden intern von Psychologen und anderen Fachleuten ausgewertet um detaillierte Persönlichkeitsprofile zu erstellen.
Sie befassen sich generell nur mit Internen Angelegenheiten. Sobald jemand von Außen in die Sache verwickelt ist wird das Ganze zu einer Angelegenheit für SK Prime.
Vorstand der Abteilung ist Herr Médard Vogen. (angefügt ist das Foto eines kahlköpfigen, korpulenten Menschen Mitte 50)
Er hat den Ruf sehr pedantisch, humorlos, kompromisslos und kontaktfeindlich zu sein und gerne gut zu speisen. Er wurde inoffiziell schon als Tyrann seiner Abteilung bezeichnet.
Die Innenrevision hat allein in Essen jährlich ein mehrere hundert Millionen hohes Budget und ein Schattenbudget das auf mindestens 20 Millionen geschätzt wird.
Das mit dem Schattenbudget setzt sich zum Großteil aus Beraterhonoraren an eigene Unterabteilungen zusammen, ist daher vermutlich von oben abgesegnet.
Das sind keine offiziellen Informationen, darum schmeiß den Chip am besten in einen Toaster sobald du die Daten herausgeholt hast die du brauchst.
-T

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Fußnoten

1. Genaugenommen ging es dabei um neue Möglichkeiten solche Naniten zu bauen, die entweder gewisse Substanzen im Blutkreislauf eines Trägers - oder Opfers - langsam freisetzen oder gewisse Substanzen aus dem Blut herausfiltern konnten. Die Verwendung besagter Membranen würde solche Naniten wiederverwendbar machen, die sich bisher bei so etwas immer auflösten - ganz praktisch wenn man den Dingern nicht nur eine, sondern vielleicht mehrere Funktionen zudenken wollte. Deshalb prügelten sich manche Wissenschaftler regelmäßig über das "Wie", während sie die Frage über das "Warum" wie üblich völlig außer acht zu lassen pflegten.
   [/*]
2. Er meint damit rote und weiße Blutkörperchen. Die Letzteren hatten leider die unpraktische Eigenschaft manche Naniten einfach auffressen zu wollen, weshalb die Effizienz dieser kleinen possierlichen Tierchen ohne einen sogenannten Brüter, der für Nachschub sorgt, grundsätzlich langsam abnimmt.
   [/*]
3. Eigentlich wollte der Verfasser zuerst schreiben: "Dr. O'Braden ist manchmal so zerstreut daß er ständig Kugelschreiber einsteckt und überall im Labor verteilt. Gestern bin ich auf einem solchen Kugelschreiber ausgerutscht als ich seinen Papierkorbinhalt einer Routinemäßigen Überprüfung unterzog. Ich habe mir dabei den Musikknochen an der Schreibtischkante angeschlagen.", dann hatte er jedoch eingesehen daß diese Formulierung - wenn die Akte irgendwann einmal vom Gegenstand ihres Interesses angefordert und eingesehen wurde - vielleicht als Eindringen in eine gewisse Privatsphäre am Arbeitsplatz ausgelegt werden könnte. Natürlich ergab sich in einem florierenden Megakonzern der 2070er nicht besonders viel dessen, was man als Privatsphäre bezeichnen konnte, doch Wissenschaftler hatten den Ruf auch wegen Kleinigkeiten manchmal sehr nachtragend sein zu können. Aus diesem Grund hatte er auch einen Kommentar über seine Vermutung ausgelassen daß Dr.Stein Labormaterialien abzweigte um heimlich zu Hause Monster zu bauen.
   [/*]
4. Timmy war sich natürlich darüber völlig im Klaren, daß mindestens ein Drittel dieser "Personen" Sicherheitsbots und Sprites waren, die jeden unerwünschten Eindringling melden und ihm eine ordentliche Tracht Prügel verpassen würden. Seiner Meinung nach würde Ken-Ed-Y es sich nicht nehmen lassen einen solchen Eindringling eine Weile über seine Unzulänglichkeiten als Infiltrator aufzuklären, während der Körper des Festgesetzten Eindringlings unfreiwillig daheim auf das Einsatzteam wartete. Danach wäre dieser natürlich nur hypothetische angenommene Eindringling vermutlich entweder ein viel besserer Hacker oder sehr suizidgefährdet.
   [/*]
5. Ken-Ed-Y, von seinen Schülern manchmal scherzhaft Can-I-Die genannt - ein Spitzname, den er gerne übernommen hatte weil er die Vorstellung einer biologisch bedingten Sterblichkeit in Bezug auf Künstliche Wesen anscheinend als lustig befand - hatte derzeit das Hobby, historischen Gerüchten und Vermutungen über den Mord an John F.Kennedy nachzugehen. Dazu stellte er historische Szenen auf diesem Knoten nach, dessen Inhalt er nach Belieben in wenigen Augenblicken komplett ändern konnte. Es passierte daher regelmässig daß sich ein Besucher dieses Knotens urplötzlich mitten auf einem Golfplatz wiederfand, wenn er Ken-Ed-Y's zweites derzeitiges Hobby erwähnte.[/*]

"Maneuver Siegfried ?"
brachte Tim hervor, die Soykaf-Tasse (*1.) schon an den Lippen. Dann schlürfte er kurz vernehmlich, stellte fest daß das Zeug kaltgeworden war (*2.) und kippte es mit einem großen Schluck herunter während Tony kurz erklärte worum es sich dabei handelte.
Nachdem er sich Tonys Plan angehört hatte, begann er langsam zu nicken. "Klar. Leistungssteigerung und Lernbereitschaft verbessern, das kriegen wir hin. Für die kurze Zeit der Anwendung müssen wir auch nicht mit temporären Wechselwirkungen der Nanostrukturen untereinander rechnen, da deine ja dabei nicht refresht werden sinkt die Effizienz sowieso über den Zeitraum ab. Zu Trainingsbeginn gibts dann die Dosis für die Steigerung der geistigen Aufnahmefähigkeiten. Kurz vor dem Einsatz gibt es dann die Taschenrechner..."
Als Tony ihn kurz fragend anschaute, ergänzte Tim: "Gut, strenggenommen fördert dieser Nanitenstamm die logischen Fähigkeiten... also auch das Rechnen. Und sie sind nur so lange in der Tasche, bis man die Spritze ansetzt. Dann siedeln sie sich im Gehirn an... ab da sinds dann eigentlich Kopfrechner... (*3.)
Oh, da fällt mir ein. Wir brauchen deren stärkste Wirkphase direkt im Simulator. Die schnellste Aktivierung erzielt man wenn man die Naniten direkt in die Arteria carotis communis injiziert. Das heisst man sollte sie im unteren Halsbereich spritzen, bevor die sich aufteilt. Die Externa versorgen primär nur die Hirnrinde, wir wollen aber das Ganze Hirn erreichen..."
Tim betrachtete kurz Tonys beinahe abwehrend erhobene Hand.
"Keine Panik, ich mach das schon. Wird nur ein bisschen pieksen."

Kurz darauf hatte sich Tim daran begeben, mit Hilfe zweier Sprites ein Analysetool zu entwickeln, welches ins TacNet eingeklinkt die Verhaltensmuster der gegnerischen Bewegungen analysieren sollte. Beide Sprites - die sich aus unverständlichen Gründen als "Stan" und "Ollie" vorgestellt hatten - waren spezialisierte Datensucher und Analysten und erledigten ihren Job hervorragend. Um später im Einsatz der Analyse aktiv mitarbeiten zu können ohne die Beteiligten dabei zu verwirren, kommunizierten die Sprites über ein kleines animiertes Figürchen, welches einer stilisierten Karikatur eines Drilloffiziers nachempfunden waren und verwendeten dabei ein kleines Repertoire von Gunners Lieblingssprüchen.
Beide Sprites, insbesondere Stan, brachten ein paar mehr oder minder gute Tipps und Verbesserungsvorschläge ein. Insbesondere Stan, der sich eine fixe Idee in den Kopf gesetzt zu haben schien. (*4.) Diese konnte Tim ihm dann doch ausreden. Letzten Endes einigte er sich mit ihm auf einen kleinen Gefallen, den er den beiden Sprites vor Abschluss der Aufgabe tat. (*5.)


Zwei Tage nach der Übung traf Tim Ken-Ed-Y an seinem virtuellen Golfplatz. Er berichtete von der Übungsmaßnahme und den beiden Sprites, sowie dem interessanten Umstand daß die Simulation den verschiedenen Gegnern - die Timmy auch gerne NSCs oder MOBs nannte - anscheinend sehr detaillierte Stärken und Schwächen verpasst hatte.
Ken-Ed-Y, der gerade einen grauen Nadelstreifenanzug mit kariertem Futter im Stil der 50er Jahre trug, schaute nachdenklich seinem seinen Golfball hinterher. Dieser flog in einer perfekt berechneten Parabel direkt auf die Fahnenstange des Par-3-Loches zu und knallte mit realistisch-metallischem "Peng!" dagegen.
"Das seltsame an der Simulation ist, dass das Hofstädt Rheinmetal Trainingszentrum zwei mal in gleicher Konfiguration besteht und ein Team von 6 SK-Militärsoldaten in die Anlage 2 geschickt wurde."

Timmy musste zuerst schlucken, dann lachen.




Fußnoten

1. Tim's Soykaf war koffeinfrei, dafür jedoch mit Vitamin B versetzt. Timmys Meinung nach steigerte eine gensunde Aufnahme frischer Vitamine die geistigen Kapazitäten besser als jede Art von Koffein. Koffein war nur dann gut wenn man müde war. Und niemand, der seinen alltäglichen Tagesablauf mit einer viertelstündigen Tour durch ein Schwimmbad begann, würde sich jemals morgens müde fühlen. Diese Angewohnheit hatte Timmy noch von der Schule übernommen und nur während der Grundausbildung kurzzeitig ausgesetzt. Dennoch hatte er sich keine Sorgen um seine schlanke Linie machen müssen, denn dank den äußerst pflichtbewussten und liebenswerten Bemühungen eines netten Drilloffiziers namens Gunner hatte es in der Grundausbildung niemals an Möglichkeiten zu sportlicher Ertüchtigung gefehlt. Zuvor hatte Timmy zwar nicht damit gerechnet daß der halbstündige Mißbrauch einer Zahnbürste irgendwelche Muskelgruppen trainieren könnte - inzwischen wusste er das dies sehr wohl der Fall war, wenn man damit Kalkflecken aus einer Kloschüssel scheuerte.[/*]
2. Bei dieser Feststellung erinnerte sich Tim daran, daß er sich eigentlich daran erinnern wollte seinen Vitamin-Soykaf (Aromasorte heute: frische Waldbeeren, pfui bäh) morgens nicht vor dem Gang in das Schwimmbecken aus dem Automaten zu ziehen, sondern danach, wenn er ihn trinken wollte: nach dem Frühstück, welches in seinem Tagesplan stets nach dem Bad kam. Wer da auf die blödsinnige Idee gekommen war, Kaffeegeschmack mit Fruchtaroma zu kombinieren war Timmy gerade herzlich egal, er hegte jedoch insgeheim die Hoffnung daß man das Zeug besser hinunterbekäme wenn es noch warm war.[/*]
3. Ja, auch in den 2070ern waren schlechte Wortwitze noch weit verbreitet. Doch war es zu der Zeit schon allgemeinbekannte Erkenntnis, daß schlechte Wortwitze nur aus dem Mangel an wirklich guten Wortwitzen entstehen. Der Leser möge sich hierbei entschuldigt fühlen, wäre der Autor in der finanziellen Situation gewesen sich gute Wortwitze leisten zu können, so hätte er es gewißlich getan.[/*]
4. Den Vorschlag Stans, die TacNet-Interfaces gegnerischer Teams mit Virtuellen Torten zu bombardieren und sie damit lahmzulegen musste Tim vehement ablehnen, insbesondere da Stan's Entwurf einer Schwarzwälder Geschoßtorte mit zwölf schwarzen Kirschen dekoriert war. Genaugenommen handelte es sich dabei um Blackhammer-Kirschen.[/*]
5. Timmy hatte zwar keine Ahnung wofür die beiden sie brauchten, aber die digitalisierte "Laurel & Hardy"- Sammlung von 106 Kurzfilmen und Filmen, die allesamt zwischen 1920 und 1960 gedreht worden waren, bekam er für eine Handvoll Nuyen als kopierschutzfreie (und bleifreie) Version. Bei Sprites, hatte Ken-Ed-Y immer wieder erwähnt, solle man sich über gar nichts wundern, aber man könne nur gewinnen wenn man Ihnen ab und zu eine kleine Freude machte.[/*]

Timmy befand sich auf einer Kirmes. Allerdings hatte jemand sämtliche Fahrgeschäfte angehalten, samt der darinsitzenden Personen, von denen sich keiner bewegte.
Die Bunten Farben waren gedämmt, damit sie nicht so sehr störten. Nur ein einziger Stand war gerade mindestens so bunt wie er in der Realität sein dürfte. Davor stand ein Mann in einem altmodisch anmutenden amerikanischen Anzug. In einer Hand schwang er einen großen, bunten Hammer.

Ken-Ed-Y hatte auch die Kirmesmusik abgeschaltet, weil sie ihm zu hektisch war - aber er hatte sich tatsächlich Mühe gegeben den Geruch von Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und brutzelnden Soy-Würstchen sehr genau zu simulieren.
"Ins Schattenland hineinspatzieren und Informationen sammeln. Hmh, damit kenn ich mich nun wirklich nicht aus... die Sache ist aus meiner Sicht auch ziemlich uninteressant."
Ken-Ed-Y holte mit dem Hammer aus und klopfte damit zielgenau auf einige schnell hintereinander aus verschiedenen Löchern auftauchende Stoffmäuse.
"Wieder zehn von zehn. Ich weiß wirklich nicht warum ihr Menschen sowas zum Zeitvertreib benutzt..."
"Nun, die meisten Menschen sind ja auch nicht so schnell mit dem Hammer. Oder sagen wir, die Zeit die vergeht die Maus zu entdecken und dann draufzuhauen, die Reaktionszeit..."
"Aber wo läge der Sinn darin, hier einen menschlichen Körper zu simulieren ? Das klingt so schrecklich ineffizient. Du weißt ja, ich mag Physikalische Simulationen. Es sind einfach schöne Formeln. Zum Beispiel beim Golfspiel. Ich finde es wäre wirklich praktischer, wenn Menschen den Einfluß des Windes einfach ausrechnen würden. Aber ihr schätzt einfach, und wundert euch dann warum es nicht funktioniert hat..." Ken-Ed-Y grinste bei dem letzten Satz breit, ein sicheres Zeichen dafür daß die soeben vorgetragene Kritik an der Unfähigkeit der Menschen, die Windrichtung zu messen und den Einfluß auf einen Golfball auszurechnen, den Humorprozessoren der KI entsprungen war. Timmy mußte unweigerlich ebenfalls grinsen.
"Also gut, dann werde ich mal versuchen mich als Neuling dort einzutragen. Sollte schon nicht so schwierig sein."

Kurze Zeit später stand ein Avatar in Form einer bekannten Manga-Figur namens "Trixie" in Form eines kleinen Mädchens mit absurd großen, niedlichen Augen, roten Zöpfen und einem kleinen lila Tintenfisch neben sich in der Luft schwebend, in einer Art Lobby der Shadowland-Community. Das Ganze war auf einem Wegwerf-Kommlink gespeichert. Der Name des angezeigten Users war allerdings "P0w3rJ4ck67".

"Alles Klar, Kleiner" brummte eine Stimme. "Bevor du dir hier ein bisschen was verdienen kannst, müssen wir natürlich sicher sein daß du auch ein bisschen was kannst. Ein Chummer von mir hat da was vorbereitet. Du sollst uns nur ein paar nützliche Daten beschaffen, einfaches System, keine großen bösen Wachhunde, nur ne normale Security ohne wirklich böses ICE. Wenn du das schaffst hast du uns überzeugt. Du gehst rein, kopierst die Daten über den Lagerbestand und dann gehst du ganz fix wieder raus. Verstanden ?"

"Klar !" quiekte Timmys Avatar lautstark. Er schaffte es trotz des billigen Kommlinks dabei recht motiviert zu klingen. Das lag wohl an den Stimmdateien für die Figur "Trixie", die hatte er als kostenloses Stimmpaket direkt auf einer Fanseite heruntergeladen. "Volle Power !" Brüllte die Trixie-Persona hinterher. Timmy hatte sich nicht die Zeit genommen die Zufalls-Ausrufe der Figur zu ändern.

"Und tu was wegen dieser Auto-Emotes ! Sind ja entsetzlich."
"Werd ich machen !" quiekte Timmy's Avatar. "Volle Power !"


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Eine kurze Zeit später schlich Timmy sich mit der kopierten ID eines Lagerarbeiters durch den Server einer kleinen Lagerhalle. Das Interieur sah dabei eher aus wie eine recht lieblos erstellte Cocktail Lounge. Wer zum Henker war nur auf die bescheuerte Idee gekommen die Matrixpräsenz des Lagers einer kleinen Import-Export-Firma in Form einer Cocktailbar zu managen ? Am Tresen konnte man, anstatt Drinks zu bestellen, das Inventar durchsehen. In Form einer Cocktailkarte natürlich ! Dabei handelte es sich um die Lagerbestände nicht einmal um alkoholische Getränke. Trotz der lieblos gestalteten Umgebung hatte es eine ganze Weile gedauert die Firewall des Servers zu überlisten. Naja, man muss halt auch etwas Glück haben. Mit einer Speisekarte unter dem Arm spatzierte er nach draußen. Ein paar Matrix-Ecken weiter verblasste das Icon des Lageristen und wurde durch den Trixie-Avatar "Volle Power !" ersetzt.

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Eine halbe Stunde später im Shadowland.

Admin : "Hoi, Chummer. Was machste denn da ?"
P0w3rJ4ck67 : "Ich les das "Intro für blutige N00bs und solche die's noch werden wollen" von Roter Oktober. Boah, der hat echt Ahnung !"
Admin : "Jup. Da kannste echt was lernen. Aber warum hat hier grad die Traffic so gespiked ?"
P0w3rJ4ck67 : "Oh. Das ist meine Datenkrake ! Volle Power !"
Admin : "Eine Datenkrake ? Das kleine lila Ding da ? Das ist aber niedlich. Was macht das denn ?"
P0w3rJ4ck67 : "Geil oder ? Ist nen Standard-Pet für den Trixie-Avatar. Aber ich habs selbst modifiziert ! Jetzt ist ein Schmöker drin, der mir alles Interessante raussucht und mich drauf aufmerksam macht. Und gleich das interessante Zeug kopiert, damit ich was zum lesen hab wenn die Matrixverbindung wech is ! Volle Power !"
In diesem Moment bläst sich die kleine lila Krake auf, ihre Tentakel strecken sich durch weitere Schrankteile einer großen Regalwand, ein Fangarm voll Aktenordner verschwindet mit einem schmatzenden Fressgeräusch im Mund der Krake. Ein lautes Bäuerchen ertönt.
Admin : "Alter ! Frisst das Ding da grad unsere Daten ?"
P0w3rJ4ck67 : "Nö-ööh ! kann der gar nich. Ist kein Editor drin, der kann nur Schmökern ! Aber... keine Ahnung warum der jetzt so viel gefressen hat. Das krieg ich ja nie durchgelesen ! Volle Power !"
Admin : "Ah, gut, die Daten sind alle noch da... mach dem Kraken da mal ne andere Animation rein. Obwohl, niedlich ist das Ding ja schon..."
P0w3rJ4ck67 : "Joah, hab ich auf der Fanseite runtergeladen ! Kann dir den Link raussuchen wennst den willst. Volle Power !"
Die kleine Krake bläst sich auf, frisst einen weiteren Stapel Akten und rülpst äußerst unanständig.
Admin : "Oh, Danke, werd ich mir mal anschaun, ist bestimmt was für meine Kids. Hier haste nen Link, da ist nen schönes Tutorial wie du die Suchalgorythmen für nen Schmöker sauberer hinkriegst. Und modde mal dein Avatar-Audio, das volle Power-Geschrei nervt irgendwann sicher alle !"
P0w3rJ4ck67 : "Ui, Danke ! Werd ich machen. Volle Power !"


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Wiederum eine ganze Weile später.

Interne Kommunikation zwischen "Timmy" und "BlueElephant"
BlueElephant : "Das ist ja ein ganz netter Haufen Kram. Ja, ich denke das reicht. Hast den Auftrag erfüllt. Glückwunsch, damit biste wohl ein neuer V-Mann im schattigen Schattenland. Wundert mich aber, daß die dich nach der Datenmenge in der kurzen Zeit nicht gekickt haben."
Timmy : "Naja, man muss halt auch etwas Glück haben..."