3. Phex, im Phex-Templ von Arraned

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Zidon lag auf seinem mit Stroh gefülltem Nachtlager. Es war der 5. Phex. Der Geweihte des nächtlichen Schattens wollte sich daran versuchen sich seinem Gott zu nähern. Die Meditationstechnik, die ihm Mondschatten Cidris vor so vielen Jahren in Havenna beigebracht hatte, sollte ihm dabei helfen. Besonders im Monat des Gottes, der Zidon erwählt hatte. Zidon wusste zwar, dass Phex das Mondlicht bevorzugte, aber Cidris lehrte ihn einst, dass Phex gerade an der toten Mada die Ohren am weitesten öffnete. So wollte er es versuchen.
Der Geweihte ließ sich von seinem Nachtlager gleiten und setzte sich im Schneidersitz hin. Seine Augen hatte er unwillkürlich halb geschlossen. Seine Sinne griffen in die Finsternis hinaus. Plötzlich hörte er eine freundliche, lockere Stimme eines jungen Mannes. Zidon stand schnell auf, blieb kurz stehen, bis die Sterne vor seinen Augen das Tanzen aufhörten, und ging zur Tür. Als er die Tür öffnete, stand er nicht im Gang des Tempels, sondern in einer Taverne. Links und Rechts von ihm waren Frauen und Männer am Feilschen, Kartenspielen und sich am amüsieren. Zidon blickte sich erstaunt um. Unerwartet klopfte ihm ein junger Mann auf die Schulter. Sein braunes Haar war kurzgeschnitten, in den Ohren hatte er goldene Ohrringe, sein Bart war schmal um den Mund herum. Seien Kleidung war einfach und funktional, doch irgendwie auch unwirklich und kunstvoll. "Halte keinen Maulaffen feil und setzt dich Zidon", forderte der Mann ihn auf. Zidon schüttelte kurz seinen Kopf, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen und folgte dem Mann. Dieser ging zu einem leeren Tisch und setzte sich dort lässig auf eine Bank. Zidon setzte sich ihm gegenüber.
Der junge Mann musterte Zidon kurz interessiert ehe er meinte: "Ich weiß wieso du hier bist. Du bist genauso wie die Anderen. Der große Chef hat keine Zeit für solche Leute." Zidon wurde ziemlich wütend, da ihm der junge Mann so übel anredete, obwohl er ihn nicht mal kannte. Statt ihn jedoch anzufahren, meinte Zidon: "Was macht euch glauben, dass ich so wäre wie die Anderen?" Der junge Mann lächelte verschlagen. "So ein Gefühl", sagte er, dabei mit den Schultern zuckend. "Und euer Gefühl ist mehr wert, als meine letzten Taten für den Grauen? Ihr seid ein lustiger Geselle mein Freund", entgegnete Zidon. Dieser lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hintern Kopf.
Zidon überlegte seine Möglichkeiten. Er kann darum spielen, darum handeln oder er musste ihn überrumpeln. Bevor Zidon einen Gedanken fassen konnte, meinte der junge Mann: "Ich lass dich zu ihm, wenn du mir ein paar delekate Informationen gibst. Allerdings musst du sie hier im Raum finden. Wie ist mir egal. Schaffst du das? Wenn ja bin ich beeindruckt. Wenn nein, viel Glück beim nächsten mal." Zidon nickte langsam, ehe er fragt: "Welche Informationen?" "Ganz einfach. Ich möchte wissen, wie viele Münzen sich im Beutel des Söldners dort vorne befinden" sagte der Mann entspannt. Der Geweihte runzelte etwas die Stirn und meinte: "Das ist eine Information. Was sind die anderen?" Der junge Mann lachte. "Sehr gut. Sehr aufmerksam. Ich möchte noch die Farbe des Unterkleides der Schankmagd wissen und welche Karte beim Söldnertisch gezinkt ist. Ich denke das reicht, oder?", teilte der junge Mann amüsiert mit, was er wissen wollte. Zidon nickte, stand vom Tisch auf und betrachtete den Raum.
Alle Anwesenden waren zwar scharf zu sehen, aber jedes Gesicht verschwamm bei der kleinsten Bewegung. Zidon konnte nicht sagen, ob dies bei ihm auch der Fall war. Er konnte aber sagen, dass seit seiner Anwesenheit in dieser Taverne er sich sehr gestärkt fühlt. Voller Selbstbewusstsein ging er zu dem Tisch der Söldner. Sie lachten und zockten. Die Lüsternheit des Zieles konnte man sogar mitsamt der Verschwommenheit erkennen. Irgendwie erinnerte die Gestalt an Tito, bevor er gebaumt wurde. Zidon war kurz irritiert und sah sich die Schankmaid genauer an. Sie sah entfernt Jadira ähnlich. Einer der anderen Söldner sprach in dem gleichen Dialekt, wie Timshaljin. Zidon nickte verstehend. Phex, der alte Schlingel, wollte ihn Testen, indem er sein Wissen gegen seine Freunde einsetzte.
Zidon setzte sich zu den Söldnern. "Lust auf eine Runde Boltan?", fragte er laut in die Runde. Zustimmendes nicken. Es wurden ein paar Runden gespielt, bei der Zidon jede einzelne verlor. Das störte den Geweihten nicht, denn er erkannte, dass nicht eine Karte gezinkt war, sondern jede. Nach sechs weiteren Runden, hatte er seine Verluste wieder reingespielt und seine Beobachtung bestätigt. Nun war es Zeit, die Schankmagd anzugehen. Er beugte sich verschwörerisch zu seinem Söldnerziel und schlug ihm eine Wette vor. Er würde fünf Goldstücke gewinnen, wenn er sich traute, der Schankmagd den Rock über den Kopf zu lüpfen. Unter Johlen seiner Kameraden schlug der Söldner ein. Als die Schankmagd vorbei kam, nahm der Söldner beherzt den Rock und zog ihn nach oben. Zidon nutzte die Gelegenheit und warf einen Blick darunter. Er musste feststellen, dass sie ein Kettengeflecht als Unterkleid trug. Für sich dachte er, dass Jadira mit Sicherheit so etwas nicht anziehen würde. Nach dem Gedanken schob er noch den Plan nach, es demnächst einmal herauszufinden.
Wie zu erwarten war, war die Schankmagd nicht besonders begeistert. Sie schlug dem Söldner mit vollem Schwung das Tablet auf den Kopf. Dieser fiel rütlings von der Bank. Zidon ging neben ihm in die Knie, tat so, als ob er ihm helfen wollte und nahm ihm dabei seinen Münzbeutel ab. Seine Kumpel johlten und lachten den Niedergeschlagenen aus und spielten dann weiter. Zidon spielte noch ein paar Runden mit, legte dann den Preis für den Geschlagenen auf den Tisch. Musste ja niemand wissen, dass der Preis aus dessen eigener Tasche stammte. Als Zidon sich vom Tisch entfernte und auf den jungen Mann zuhielt, zählte er kurz die Münzen im Beutel. Es waren drei Dukaten, ein Silbertalger, vier Heller, neun Kreuzer und zwei Hosenknöpfe. Mit einem gewinnendem Lächeln setzte sich der Geweihte dem jungen Mann gegenüber. Der sah ausgesprochen amüsiert aus und klatschte in die Hände: "Schön hast du das gemacht. Und keiner würde vermuten, dass du es warst. Ich leg ein gutes Wort für dich beim Chef ein." Zidon wirkte verwundert. "Willst du die Informationen gar nicht?", fragte er. Der junge Mann schüttelte den Kopf: "Ich hab alles gesehen was ich wissen wollte. Ruh dich aus Zidon. Wir sehen uns!", mit diesen Worten wurde es plötzlich sehr hell.
Zidon schreckte aus dem Schlaf hoch. Vor ihm saß ein Novize des Tempels und musterte ihn neugierig. Zidon überlegte wie der Junge hieß. Droderon glaubte er. "Was schaust du so komisch, Droderon?", fragte Zidon noch etwas verschlafen. Der Junge zuckte etwas zurück, als ob ihn Zidons Worte geschnitten hätten. "Ähh, der Geweihte Niobald trug mir auf nach euch zu sehen. Ihr wart seit vierzehn Tagen mehr oder weniger nicht ansprechbar. Nur gegessen, geschlafen und eure Notdurft verrichtet. Er machte sich sorgen", erklärte sich der Novize. Zidon rieb sich die Augen. Er fühlte sich in der Tat, wie in der Taverne. Phex hatte ihn etwas mehr Gunst zugedacht. Der Geweihte sprang auf, nahm sein Gepäck und meinte: "Danke für die Bewirtung Droderon. Wo ist Nachtschatten Niobald? Ich möchte mich noch verabschieden, bevor ich mich auf den Heimweg mache."

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? Peraine 1028 BF, Dorf Arraned

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Zidon ging durch den Matsch der Straßen von Arraned. Im Grunde war es kein großes Dorf. Mehr eine Ansammlung von Hütten innerhalb eines Pallisadenwalls und einer Menge Zelte drumherum. Der Regen der letzten Tage hatte die Straßen aufgeweicht. Die Leute versuchten wenn möglich nicht vor die Tür zu gehen. Der Geweihte hatte jedoch ein Ziel. Nachtschatten Niobald hat ihm den Kontakt zu einem Fälscher vermittelt, der ihm das Handwerk beibringen würde. Man nannte ihn den "Garether Raben". Zidon waren solche fantasievollen Namen eher ein gräul, aber in dem Gewerbe scheinbar sehr beliebt.
Die Schreibstube des "Garether Raben" lag in der Nähe der östlichen Pallisade. Niobad sagte ihm, dass es sich um eine wirkliche Schreibstube handelte. Der "Garether Rabe" hatte als Erkennungszeichen eine Bernsteinbrille und eine schwarze Weste. Niobald meinte auch, dass der Rabe etwas älter sei. Es würde Zidon überraschen, wenn in einem Nest wie Arraned sich mehr als ein Schreiber mit Gehilfe befinden würde. Die Schreibstube war eine grobe Holzhütte. In den Fenstern gab es keine Scheiben, die Läden standen weit offen. Die Tür stand offen, Der Geweihte trat sich etwas die Stiefel ab und schritt ein.
Das Haus bestand aus einem großen Raum mit drei abgehenden Räumen. Der Raum war schlicht eingerichtet. An den Wänden standen Regale mit unzähligen Tintenfässchen, Federkielen, Papierbögen, fertigen Briefen, Kerzen und vielen anderen Utensilien. Vor Zidon saß an einem schweren Schreibtisch ein älterer Herr mit Bernsteinbrille und schwarzer Weste. Sein Haar war ihm scheinbar vor einiger Zeit ausgefallen. Der Federquil in seiner Hand kratzte hörbar über das Papier. Eine kleine Öllampe spendete gerade genug Licht zum Schreiben.
"Phex zum Gruße, werter Schreiber", begrüßte Zidon den älteren Herrn. Der sah nur kurz auf, schrieb aber weiter. "Ich komme wegen einem Schreiben. Niobad schickt mich" fuhr Zidon nach einer kurzen Pause fort. Der Schreiber stand auf, ging an Zidon vorbei und schloss Tür und Fenster. Danach setzte er sich wieder an den Schreibtisch. Der Schreiber stützte die Ellenbogen auf und verschränkte die Hände ineinander. Er starrte Zidon einen Moment an. Zidon starrte zurück.
Mit einem leichten Räuspern begann der ältere Herr zu sprechen: "Niobad holt für gewöhnlich seine Briefe selbst, oder schickt seinen Schüler. Wer seid ihr?" "Ich bin jemand der weiß, dass Ihr, mein Freund, der weit gerühmte "Garether Rabe" seid", stellte sich Zidon nichtsagend vor. Der Alte schien nicht besonders aufgebracht, geradezu amüsiert. "Bravo, habt Niobad ein Goldstück gegeben? Ein offenes Geheimnis hier in Arraned. Was wollt ihr?", fragte der Alte mit kalter Stimme. Zidon verneigte sich leicht und sagte: "Man nennt mich den Tulamiden, Freunde sagen Zahir zu mir. Und ich möchte mich in der Kunst eures Handwerks üben wollen." Der Alte fing das Lachen an. "Der war gut. Was wollt ihr wirklich?", fragte er nochmal. "Wie ich es bereits sagte, ich möchte die Kniffe des Fälscherhandwerks lernen", wiederholte Zidon seine bitte.
"Warum sollte ich Euch das lehren? Konkurenz hält man klein. Dazu könntet Ihr mich verpfeifen" hielt der Alte entgegen. Zidon legte den Kopf leicht schief. "Ich bin ein Auswärtiger. Ich kann Euch hier nicht anklagen. Dazu kommt, das Ihr mich genauso verpfeifen könntet. Naheliegend also, dass ich Euch keine Konkurenz hier machen kann. Und das ist auch gar nicht mein Ziel. Ich brauche für eine Unternehmung mehrere Dokumente, die allerdings gemäß äußerer Umstände etwas Detailarbeit erfordert, weswegen ich nicht auf Eure oder die Dienste eines anderen Fälschers zurückgreifen kann. Zeit ist da also ein Problem. Außerdem hat Niobald mir mitgeteilt, dass er Euch einen Gefallen erlässt, wenn Ihr es mir beibringt", erklärte sich Zidon.
Der Alte stand der Mund offen. Scheinbar überlegte er, was das alles zu bedetuten hatte. Zidon verschränkte die Arme und lächelte gewinnend. Der Alte nickte dann. "Gut, ich bringe dir das Handwerk bei unter der Bedingung, dass du mir hier keine Konkurenz machst und das Niobald mir nicht mehr auf die Nerven geht, wegen dieser dummen Geschichte von vor acht Jahren", grummelte er. Zidon hielt ihm die Hand hin und der Alte schlug ein. Was fünf Dukaten für den Tempelschatz für Türen öffnen konnten.

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? +10. Peraine 1028 BF am Wehrhof

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Ein grausam gequälte Fiedel konnte aus der Kammer von Zidon vernommen werden. Lautes Fluchen folgte dem ganzen. Der Geweihte versuchte alte Kinderlieder und Volkslieder nachzuspielen. Dabei kam er immer wieder mit der Koordination seiner Finger und seiner rechten Hand durcheinander. Gelegentlich schaffte er ein, zwei schöne Laute zu entlocken, direkt gefolgt von einem furchtbaren Quietschen. Vorsorglich hatte Zidon die Kammer von innen verriegelt, damit zum einen nicht jeder die volle Schmach des Misserfolges hören musste und ihn auch niemand die Fiedel ins Gesicht schlägt, weil ihm das Zuhören des Übens zu lästig wurde. Phex allein weiß wann Hesinde ein Einsehen mit den gequälten Wehrhofbewohnern hat und Zidon entweder die Fähigkeit schenkt ordentlich zu spielen oder ihm die Weisheit zukommen zu lassen, dass seine Idee mit den Tarnidentitäten evtl. doch nicht so durchdacht war.

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5. Namenloser Tag 1028BF, Unkenthal

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Zidon saß früh morgens in der Schenke. Vor ihm war eine ganze Menge Papier, Tinte, Griffel, Federn und andere Schreibutensilien ausgebreitet. Der Nandus Geweihte hatte ihm etwas Zeit geschenkt und ihm beim beurteilen der "horasischen" Dokumente geholfen. Dabei hat er Zidon das ein oder andere über Schreibstile und Schriftbild erzählt. Zidon war über jede Ablenkung froh. Besonders hatte er sich über Jadiras Versuch gefreut. Ihm war bewusst, dass er während der Namenlosen Tage kein besonders angenehmer Zeitgenosse war. Er fühlte sich seltsam alleingelassen in dieser Zeit. Ein Gefühl, welches Zidon nicht so recht behagte. Insbesondere, wenn Paktierer und namenloses Gezücht in seiner Umgebung ihr Unwesen trieben.
Der Phex-Geweihte ließ seinen Blick zum Fenster hinausschweifen. Es blitzt und donnerte. Die schwüle Luft ließ einem die Kleidung am Körper kleben. Dies hatte nicht nur Nachteile. Wenn Jadira, Frannah und Hannah an ihm vorbeiliefen, lies er sich gerne von seinen Fälscherübungen ablenken. Auf den Straßen trieb sich niemand herum. Gerade in Anbetracht der Ereignisse.
Zidon stellte seine Schreibfeder in eine Halterung und lehnte sich zurück. Der Weinhändler geisterte durch seinen Kopf. Die Fälschungen waren gut, hatten also eine Menge Dukaten gekostet, oder Horasdor wenn er sie im Lieblich Feld erstanden hatte. Wahrscheinlich wollte er hier eine Art Kultistentreffpunkt im Dorf errichten. Aber mit was er alles herumhantierte war für Zidon das blanke Entsetzten. Schwarzer Wein der Belkelel, wiederbelebte Goblins über nekromantische Magie oder wirken von thargunischen Dämonen, schwarzmagische Beherrschungsmagie und dann diese Verwandlung, möglicherweise Asfaloth nahe. Zidon hätte es nicht gewundert, wenn er auch noch Spuren von Tasfarelel in dem Haus des Weinhändlers gefunden hätte. Entweder war dieser Paktierer oder Kultist extrem mächtig, oder extrem dumm sich mit so vielen Entitäten einzulassen. Hielt er sich für den nächsten Borbarad? Diese Überlegungen frustierten Zidon. Ihm war klar, dass das Versprechen von Macht schon viele in die Finsternis gerissen hat. Aber ein so offensichtlich schlechter Handel schlug dem Fass den Boden aus.
Zudem ärgerte sich Zidon darüber, wie nutzlos er in der Bekämpfung dieses Übels war. Phex gilt den Tulamyden als nächtlicher Krieger, der sich dem echsischem oder namenlosen in den Weg stellt. Dazu war Zidon offensichtlich nicht in der Lage. Zwar konnte er diese untoten Goblins von Jadira fernhalten, aber Schaden konnte er ihnen kaum. Zu allen Überfluss hatte ihn so ein Mistvieh auch noch den Arm aufgerissen. Er hatte am Tag seiner Weihe geschworen den Idealen von Phex zu folgen. Dies tat er wo er konnte. Wenn er namenlose oder dämonische Umtriebe feststellte, lieferte er sie ans Messer. Aber die Machtlosigkeit im Kampf gegen diese Wesen machte ihn rasend. Sein Hakendolch, so gut ihn Atellica auch schmiedete, nutzt nichts gegen die Untoten. Seine Liturgieen halfen ihm im Alltag und in Notsituationen, aber nicht im Kampf gegen diese Verschwörung gegen die zwölfgöttliche Ordnung. Er fasste einen Entschluss. Er mag ein Hehler, Betrüger und Dieb sein. Seine bisherige Wahl war der Dolch als unscheinbare Waffe. Aber wenn der Feind der Götter sich mit dem Dolch nicht schlagen ließe, so will er neue Waffen finden, egal ob aus Stahl oder durch den Segen von Phex.
Zidon schlug mit der Faust von oben nach unten in die flache Hand. Zuversicht durchströmte ihn und seine Laune wurde besser. Als er sich wieder seinen Übungen zuwenden wollte, kam Jadira auf ihn zu und fragte, ob er nicht etwas mit ihm Karten spielen wollte. Bei so netter Gesellschaft ließ er sich nicht zweimal bitten.

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Irgendwann im Peraine im Jahr X, Warunk

Ein dunkler Raum, vollgestellt mit allerhand Büchern, Pergamenten und Schriftrollen in verschiedensten Sprachen und Schriften, wird spärlich von einer kleinen Öllampe erleuchtet. Das Gemurmel einer Männerstimme ist das einzige, was die Stille durchschnitt. Das Licht flackerte hin und wieder. Dabei zeichnete es unwirkliche Schatten an die Wände. Eine schwere Tür wurde geöffnet. Nahezu lautlos trat eine Gestalt, die in einen langem grauen Mantel gehült ist, ein. Sie schritt an den Bücherhaufen vorbei und blickte in Richtung der Lichtquelle. Der Mann, am schweren Sekretär, schien sie nicht bemerkt zu haben. Wenige Schritte blieb sie von ihm entfernt stehen. Ehe sie ansezten konnte irgendetwas zu sagen, drehte sich der Mann um. Das braune Haar von ihm war verworren und ein krauseliger Bart hing ihm bis zum Halsansatz. Seine grüne Augen fixierten die Person mit einem strafenden Blick.
"Was willst du, Alena? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?", herrschte der Mann sie an. Die Gestalt schlug die Kapuze des Mantels zurück. Ihr lockiges, blondes Haar umspielten ihre noch jungen Züge. Sie machte einen leichten Schmollmund, der durch ihre rot geschminkten Lippen wie eine Erdbeere wirkte. "Meister Rasfal schickt nach euch, Meister Zidon. Er möchte eure Unterstützung bei einem Unterfangen erbitten.", erklärte Alena mit ruhiger Stimme. Trotz ihres spielerischen Schmollmundes, war sie in der Anwesenheit von Zidon immer unsicher. Sie konnte nicht sagen warum, aber sie hatte immer das Gefühl, dass er sie wegen irgendetwas anklagte. Zidon seufzte. Dies tat er immer wenn sie ihn eine Botschaft zukommen ließ. "Rasfal braucht also meine Hilfe. Nun gut. Wo ist er?", sagte Zidon sichtlich genervt. "Er erwartet euch in der Unterstadt, in der Spießbürger Schenke.", antwortete sie rasch. Zidon stand auf, klopfte sein Wams etwas glatt und ging an Alena vorbei. Sie wollte sich gerade umdrehen, als Zidon, nun mit sanfterer Stimme, meinte: "Rasfal spricht gut von dir. Lass dich aber nicht zu sehr von ihn und seinen Feldzug ein. Es könnte deinen frühen Tod bedeuten." Sie stand da, wie vom Blitz getroffen. Ehe sie etwas sagen konnte, war Zidon schon zur Tür hinaus. Sie wurde aus Zidon einfach nicht schlau. In einem Moment ist er mürrisch, übellaunig und impulsiv. In einem anderen Moment dann führsorglich, höflich und redegewand. Die junge Frau kratzte sich etwas verlegen am Hinterkopf und ließ ihren Blick über die Bücher und Pergamente. Sie konnte von den meisten Büchern nicht einmal den Titel entziffern. Das Buch, welches am Sekretär lag, ist noch aufgeschlagen. Die Abbildung eines abscheulichen Wesens war darauf abgebildet. Alena drehte etwas den Kopf. Aber die Schriftzeichen ergaben für sie keinen Sinn. Sie beschlich das Gefühl, dass sie es auch nicht wirklich wissen wollte.

Zidon ging schnellen Schrittes zur Schenke. Sein Blick huschte unruhig über die Straße, besonders in die finsteren Ecken. Es herrschte mittlerweile Ruhe in der Stadt. Die Rondrianer waren sehr gewissenhaft in ihren Aufgaben. Zidon beneidete sie manchmal für die Möglichkeit, sich offen zu ihrer Göttin zu bekennen, aber er wusste, das es für seine Vorgehensweise von Vorteil war. Er wollte nie der Held sein. Eigentlich wollte er immer nur in Ruhe seinen Geschäften nach gehen. Doch die Zeit auf Reisen hat seine Sicht der Dinge gewandelt. Phex ist nun mal ein vielseitiger Gott, der in ganz Aventurieren sehr unterschiedlich gesehen wird. Zidon fühlt sich noch immer als Hehler und Händler, aber das Betrügen und Kämpfen wurde zu einer Notwendigkeit. Gerade im Kampf gegen die Dämonenbuhlen und den fehlgläubigen des Namenlosen. Offiziell war er hier ein fahrender Alchemist. Dafür hatte er sich eigens eine Beurkundung ausgestellt. Bisher kam er damit immer durch, auch wenn er nicht glaubte, dass sie außerhalb von Kriegsgebieten und den Schwarzenlanden lange bestand hatte. Allerdings fragten auch die wenigsten. Die Verfügbarkeit an Heiltränken, Rauschmitteln und diverser Pülfferchen, Hilfsmitteln, etc. war so gering, dass man wahrscheinlich auch ohne vorbehalte von einem Goblin gekauft hätte.

Rasfal stand vor der Schenke. Er war ein Tulamide und tat auch nichts dagegen, dies zu verbergen. Sein Kaftan war von simpler Natur, aber aus hochwertigen Staff. Sein Turban wurde von mehreren Edelsteinen geziert. Seine sonnengegerbte Haut stand im starken Gegensatz zu seinem weiß grauen Bart. An jeden seiner Finger trug er einen anders farbigen Ring. Sein Waquif glänzte auf Hochglanz poliert an seiner Hüfte. Er lachte als er Zidon sah und breitete die Arme aus. "Effendi, gut das du kommst. Ich musste warten wie ein Kamel durch die Khom auf eine Oase.", begrüßte Rasfal Zidon. Zidon schloss Rasfal kurz in die Arme "Meine Studien hielten mich auf, mein Freund. Sag bei was kann ich dir helfen?", fragte Zidon direkt. Rasfal wies in eine Richtung und die beiden spazierten im gemütlichen Tempo los. Die beiden verfielen ins Füchsische. Rasfal meinte: "Ich brauche deine alchemistischen Spielerein, deine Erfahrung und deinen Waffenarm." Zidon nickte. "Die ersten beiden Dinge sollten kein Problem sein, für einen Preis. Allerdings bin ich kein besonders guter Kämpfer.", entgegnete Zidon. Rasfal winkte ab: "Ich hab dich gesehen. Und ich hab meine Waffen mit dir gekreuzt. Ich bin mir also bewusst was du kannst." "Gut, für einen Preis.", lenkte Zidon ein. Rasfal lachte und klopfte Zidon auf die Schulter. "Ich habe dich die Liturgie des Exorzismus nicht gelehrt, nur damit du sie im Notfall einsetzen kannst. Ich will, dass du mit mir auf Jagd gehst. Und welch besseren Ort als Warunk könnte es geben?" sagte Rasfal mit einem leuchten in den Augen, dass fast schon Fanatismus unterstellen würde. "Alles hat seinen Preis, Rasfal. Ich habe dich mit meinen Tränken und Segnungen unterstützt. Im Gegenzug hast du mir die Liturgie gelehrt und dazu noch die ein oder andere Ausprägung unserer Traditionen. Ich denke wir sind quitt.", hielt Zidon dagegen. Der Tulamide grinst breit: "Ich habe einen Vorschlag für dich. Wenn du mich begleitest, bekommst du das wertvollste was ich besitze." "Und was soll das sein?", wollte Zidon wissen. "Etwas unbezahlbares. Trau mir.", versicherte Rasfal mit einem breiten Grinsen. Zidon weiß, dass "Trau mir" bei einem Phexgeweihten prinzipiell Misstrauen hervorrufen muss, aber auf der anderen Seite ist Glückspiel ohne hin ein Laster von ihm. Zidon nickt schließlich: "Gut, ein bisschen Glückspiel. Ich bin mir sicher, du versuchst mich über den Tisch zu ziehen, aber ich trau dir." Rasfal lacht herzlich: "Du wirst es nicht bereuen!" Zidon bereute es jetzt schon.

Zidon stand in seinem Verkaufswagen. Es waren allerlei Retorten, Alchemika, Messer, Spatel und sonstige Bedürfnisse für einen Alchemisten ausgebreitet. Konzentriert füllte er eine feuchte, krümmelige Masse in einen Tierdarm. Jemand klopfte an die Plane und steckte kurz darauf den Kopf durch die Eingangsplane. Es war Alena. Zidon nahm ein Garn und verschloss sorgfälltig den Tierdarm, ehe er zu ihr sah. Er sagte nichts, sondern blickte nur fragend. Alena legte den Kopf schief. "Was möchtest du, Alena? Ich bin beschäftigt.", fragte Zidon beiläufig. "Meister Rasfal hat mir gesagt, dass ich nicht zu euch in den Wagen kommen soll, wenn ihr am Mischen seid. Er gestikuliert dann immer eine Rauchwolke zusammen.", erzählte Alena relativ fröhlich. Zidon war es unbegreiflich, warum Rasfal so Angst vor seinem Wagen und der Alchemie hatte. Bisher ist ihm nur einmal etwas hochgegangen. Daraufhin sind ihm der Bart und die Haare gewachsen und ließen sich nicht schneiden. Waschen und einweichen brachte auch nichts. Wahrscheinlich musste man einfach warten, bis etwas Haar nachgewachsen ist, um es dann abzuschneiden.
Zidon legte den fertigen Schwadenbeutel beiseite. Die Segnung konnte noch warten. Er nahm sich einen Lappen und begann seine Hände abzuputzen. Alena trat ein. Ihre weiße Bluse und das Mieder betonten ihre noch jugendliche Figur ausgesprochen gut. Der graue Mantel sorgte eher für das Gegenteil. "Ich wollte euch was fragen, Meister Zidon.", sagte Alena. Zidon runzelte etwas die Stirn, ehe er meinte: "Quid pro quo, Alena." Sie sah ihn fragend an. Zidon seufzte. "Er seufzt schon wieder", dachte Alena. "Dies für das. Eine Redewendung aus dem Bosperano. Es bedeutet, dass wenn ich dir etwas verraten soll, dass du mir im Gegenzug etwas verraten oder tun musst.", erklärte Zidon während er den Lappen auf seine Werkbank legte. Alena wirkte unsicher. "Hör mal, ich bin kein Unmensch. Die erste Frage ist kostenlos und danach entscheide ich ob ich dir mehr verrate, oder ob ich einen Preis verlange.", lenkte Zidon wegen ihrers Zögerns ein. Die junge Frau atmete tief ein, ehe sie fragte: "Warum warnt ihr mich vor Rasfals Feldzug? Ich verstehe nicht was ihr meint." Zidon wiegte den Kopf etwas hin und her. "Bist du dir bewusst, wer Rasfal ist?", wollte Zidon wissen. "Meister Rasfal ist ein Fernhändler aus Fasar und mein Herr. Er ist gütig, aber auch streng. Ich habe noch nie erlebt, dass er ungerecht zu irgendjemand war.", kam wie aus der Armbrust geschossen. Zidon nickte. "Der werte Rasfal ist ein sehr vielschichtiger Charakter. Du siehst seine gütige und freundliche Seite. Aber er hat eine dunkle und undurchsichtige Seite. Und er hat eine Agenda, die nicht unbedingt zu seinem Selbsterhalt beiträgt. Oder warum glaubst du, kommt er zu mir?", entgegnete der Geweihte.
Sie massierte sich etwas die Hände. Zidon konnte ihr ansehen, dass sie es nicht wusste. Er empfand es als ungerecht, das Rasfal sie für seinen Feldzug nutzte, obwohl sie so jung war. Aber es war nicht an ihm, ihr die Identität von Rasfal vollständig zu enthüllen. Rasfal hatte wahrscheinlich seine Gründe sie im Unklaren zu lassen. Wie auch Zidon seinen engsten Freunden und Vertrauten nicht mitteilte, das sein Bekenntnis zu Phex mehr als nur ein Lippenbekenntnis war. So waren nun mal die Wege des Listigen. "Alena, Rasfal hatte vor vielen Jahren einen Verlust, schwerer als du vielleicht je verstehen kannst. Auf die Sühne dieses Verlustes verwendet er all seinen Reichtum und Kraft. Und auch du bist Teil dieser Sühne. Ich kenne deine Rolle in seinem Plan nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass er dich nur benutzt wie ein Werkzeug. Und ich habe dich gewarnt, damit du dir bewusst wirst, dass du benutzt wirst. Ich möchte, dass du deinen von Nandus geschenkten Verstand benutzt.", versuchte Zidon ihr seine Interpretation der Situation darzulegen, ohne zu viel auf Details einzugehen. Alena lief rot an. Dies erstaunte Zidon etwas, da er nicht einschätzen konnte, ob es vor Wut oder vor Scham war. Plötzlich schrie sie Zidon an: "Ich bin doch nicht irgendein doofes Werkzeug! Und ich kann auf mich selbst aufpassen! Ich versteh viel mehr, als ihr denkt, Meister Zidon!"
Zidon lächelte sanft. Da hatte er wohl einen Nerv getroffen. Er zog zwei Hocker unter der Werkbank hervor. Auf einen setzte er sich, den anderen schob er der vor Wut bebenden Alena hin. Sie sah ihn verdutzt an. "Setzt dich, ich glaube, dass Gespräch könnte länger dauern", forderte Zidon sie auf. Alena tat es sofort, wie es ihr aufgetragen wurde. Zidon hob eine Augenbraue. "Sag mir, wie bist du Rasfal begegnet?", wollte Zidon wissen. Alena schüttelte leicht den Kopf: "Meister Rasfal hat mir verboten mit Euch darüber zu sprechen." Zidon nickte verstehend. Der alte Tulamide hatte seine Geheimnisse und Alena gehörte eindeutig mit dazu. "Er hat dich aufgenommen, als du noch klein warst, nicht war? Hat dich groß gezogen, dir Lesen und Schreiben gelehrt und dazu noch die ein oder andere Sache, die nützlich ist, auf den Straßen zu überleben.", mutmaßte der Phexgeweihte. Sein Blick lag auf ihr, auf eine unbedachte Regung achtend. An ihrer Mimik konnte er ablesen, dass er zumindest teilweise Recht hatte. "Du schuldest ihm also etwas, oder anders gesagt nicht etwas, sondern alles. Daher diese große Loyalität.", schlussfolgerte er. Alena sah ihn mittlerweile verunsichert, wenn nicht sogar flehend an. Zidon amüsierte es ein wenig, sie so zwischen ihrem Schwur und ihrem Bedürfnis sich jemanden anvertrauen zu können hin und her gerissen zu sein.
Er strich sich über seinen Bart. Eine dumme Angewohnheit, die er seit dem Fehlversuch an den Tag legte. Alena saß weiterhin still vor ihm. Zidon fragte sich, was für eine Art von Erziehung Rasfal ihr zukommen ließ. Zidon meinte nun in einem entspannteren Tonfall: "Entspann dich, ich frag dich nicht mehr in die Richtung. Und da ich dich gerade mit sehr vielen Fragen gelöchert habe, darfst du mir jetzt auch ein paar stellen." Die junge Frau entspannte sich zusehend. "Wie macht Ihr das? Also ich meine dieses lesen in Leuten?", wollte Alena wissen. Zidon zuckte mit den Schultern. "Lebenserfahrung, viele Reisen, Geschäftssinn und Feilschen um den besten Preis würde ich mal sagen", meinte Zidon flapsig. Alena legte den Kopf wieder schief. Zidon fand es amüsant, wenn sie das tat, wenn sie ihn nicht verstand. "Es ist nichts was man aus Büchern oder von einem Lehrer wirklich gut lernen kann. Es sind die Erfahrungen mit Menschen, die einem verraten, was hinter der Fassade eines freundlichen Lächelns sich verbirgt.", versuchte er ihr es näher zu bringen. Die junge Frau sah ihn noch immer etwas verwirrt an. Zidon bot an: "Soll ich dir von meinen früheren Gefährten erzählen? Vielleicht wird dir dann klar was ich meine." "Ja bitte. Ich würde gerne von Euren Gefährten hören.", bat Alena aufrichtig.
Zidon sinnierte etwas und ließ seinen Blick in seinem Wagen etwas schweifen. Einige Erinnerungsstücke hatte er dort verstaut. Darunter auch seine Fidel. Ein träumerisches Lächeln umspielte kurz seine Lippen. Alena musterte ihn neugierig. Zidon stand auf und zog ein einfaches Halstuch aus einer Schublade. "Dies gehört meiner guten Freundin Jadira. Sie stammt aus dem Volk der Zahori. Schon mal gehört?", fing Zidon an zu erzählen. Seine Zuhörerin schüttelte den Kopf. "Ein stolzes Volk der Straße, frei in jedem Sinn. Freundlich und Leidenschaftlich, aber auch Jähzörnig und Rachsüchtig. In einem Moment konnte Jadira vor Leidenschaft für Jemanden oder etwas brennen, dass die Schmiedeesse von Ingerim persönlich wie eine freudige Abkühlung sein konnte und im nächsten Moment trieb sie einem den Dolch zwischen die Rippe mit einer Gefühlskälte, dass Firun barmherzig wirkt. Bei ihr habe ich gelernt, meine Worte schnell und gut gewählt zu setzten. Das gab einige ... interessante ... Situationen", fasste er kurz Zusammen. Die junge Frau hing an seiner Erzählung. "Oder Timshaljin, mein Gefährte aus Maraskan. Seine Weltsicht, was gut und richtig, was ehrbar oder verwerflich ist, kann einen schon zum Verzweifeln bringen. Und Tito aus Al´Anfa, dessen Verstand die meiste Zeit zwischen seinen Beinen oder im Oberarm hing war auch immer ein besonderer Charakter. Was die drei aber überwiegend gemein ist, ist die Körpersprache. Wenn du lernst sie zu lesen, dann kannst du hinter die Fassade blicken. Nur die wahrhaften Meister des Feilschen können sich so gut beherrschen, dass du dabei nicht ihre wahre Reaktion erkennst.", redete Zidon vor sich hin. Alena hörte zwar zu, verstand aber nicht so recht, worauf Zidon hinaus wollte. Zidon schweigte dann und hing etwas seinen Gedanken nach. Alena merkte, dass das Gespräch wohl zu Ende war, auch wenn sie noch Fragen hatte. Zidon blickte ihr nach, hob kurz die Hand zum Abschied, als sie aufstand und ging. Mit den Gedanken noch bei seinen alten Freunden griff er nach seiner Fidel, stimmte sie etwas und begann zu spielen.

Zwei Junge Männer stehen etwas unschlüssig vor einem Kontor der Mada Basari in Zorgan. Sie waren gekleidet wie Landstreicher. Ihre Kaftane waren zerschlissen, die Taschen an ihrer Seite waren löchrig. Das Kamel an ihrer Seite kaute auf irgendetwas herum und sah teilnahmslos an ihnen vorbei. Vor dem Kontor herrschte reger betrieb und niemand schien die beiden so recht zu beachten. "Meinst du er ist da?", fragte der eine. "Wenn mich der Gardist nicht auf den Arm genommen hat, dann ja, Abdulon. Hier, halte das Kamel, ich bin gleich wieder da" antwortete der Angesprochene. Sein Kaftan war genauso zerschlissen wie der seines Weggefährten, allerdings wirkte er einst von besserer Qualität. Abdulon nahm die Zügel des Kamels und ging etwas zur Seite. Sein Freund trat ins Kontor.
Im Kontor duftete es nach verschiedensten exotischen Gewürzen. Kräftige Männer trugen Kisten von einem Karren zu einem Lagerplatz. Mehrere Gruppen feilschten phexgefällig. Zwei Wachmänner betrachteten den Neuankömmling kritisch, ließen ihn aber bisher in Ruhe. Er fragte nach dem neuen Händler, der angeblich ein Held sein soll. Ihm wurde der Weg nach hinten ins Kontor gewiesen. Dort stand er. Gekleidet in feinste Gewänder nach zorganer Mode. Einen weißen Turban mit einer Türkisbrosche, der eine Elsterfeder hielt. Dazu ein seidener, orangener Kaftan, darüber eine reich bestickte Weste. An den Fingern hatte er nur zwei Ringe aus Gold. Seine braunen Haare waren sauber frisiert, den Bart hat er sich von Nase bis Kinn stehen lassen und sauber rasiert. Er feilschte gerade mit einem fremdländischen Händler.
"Was? 100 Dukaten für eine handvoll Nüsse? Willst du mich und mein ehrenwertes Haus in den maraskanischen Dschungel jagen, mein Freund? Ich bezahl dir 50 Dukaten.", machte Zidon sein Angebot. Sein gegenüber war offensichtlich ein Seefahrer. Die Kleidung war zwar von guter Qualität, hatte aber offensichtlich gelitten. Seine mandelförmigen Augen musterten Zidon. "Ich würde niemanden in den Dschungel Maraskans jagen. Nicht mal meine schlimmsten Feinde und die sind zahlreich. Von dem Verkauf hängt das Leben meiner Mutter und meiner Söhne ab. Habt doch ein Herz und zahlt mir 90 Dukaten", gab er das Angebot zurück. Zidon und der Maraskaner feilschten. Der junge Mann hatte den Eindruck das Zidon eher zum Spaß, als wirklich aus Profit bestreben. Der Seefahrer gab noch ein paar exotische Pflanzen und Tiere mit drauf und sie einigten sich auf 60 Dukaten. Sie schüttelten die Hände und einige Diener trugen die Ware davon. Nachdem noch etwas Höflichkeiten ausgetauscht wurde und ein gemeinsamer Tee getrunken wurde, ging der Seefahrer von dannen. Der junge Mann sah seine Chance.
"Sahib, ich möchte dich um deine Zeit bitten", begrüßte der junge Mann den Händler mit einer tiefen Verneigung. "Nicht so förmlich, Efendi. Was kann ich für dich tun?" frage Zidon, den jungen Mann genau musternd. In den braunen Augen des Mannes lag etwas listiges, dass kannte er von seinem Bruder. Zudem wirkte der junge Mann physisch gut aufgestellt, nicht wie ein Händler, mehr wie ein Beutelschneider. Zidon stellte sich frontal zu dem Mann, weiterhin freundlich lächelnd. "Ich, suchte nach euch, Sahib", setzte der junge Mann an, worauf hin Zidon etwas schnippisch meinte: "Herzlichen Glückwunsch, du hast mich gefunden Efendi." Der junge Mann sah Zidon etwas verdutzt an. Er hatte scheinbar einen anderen Umgangston erwartet. "Hat dich die umgekehrte Rückseite des Stadtkämmerers umgespannt?", fragte Zidon etwas amüsiert. Der junge Mann überlegte. Füchsisch ist nicht seine Stärke. Er glaubt das Zidon meinste, ob ihn der Bettler vor dem Rathaus hergeschickt habe. Er schüttelte den Kopf und meinte: "Das vorderseitige Kamel der Büttel hat eingeschenkt." Zidon nickte und wieß ihn an, ihm zu folgen.
Die Zwei gingen durch eine Menge gestapelte Kisten. Viele der Symbole auf ihnen konnte der junge Mann nicht lesen. An einer Sitzecke mit vielen Kissen und einer Wasserpfeife hielten sie an. Zidon zeigte auf ein Kissen und sagte:"Setz dich Efendi. Du musst müde von der Reise sein." Es klang nicht so, als ob Zidon ein Widerwort akzeptieren würde. Der Geweihte machte ein paar Handzeichen und ein paar Diener brachten Datteln und eine Karaffe. Zidon setzte sich. Mit einer Handbewegung scheuchte er die Diener weg. Leise und im ruhigen Tonfall meinte er: "Dein Füchsisch ist grauenhaft. Du kannst die große Asra nicht mit einem Kamel vergleichen. Sie wird dir Dinge antun, die selbst der geschulteste Perainegeweihte nicht mehr behandelt bekommt." Einen Moment herrschte Stille. Dann lachte Zidon amüsiert. "Wie heißt du mein Freund?", wollte er wissen. "Kasim", antwortete der junge Mann knapp. "Nur Kasim? Kein Ibn, kein Familienname? Einfach nur Kasim?", wollte Zidon wissen. Kasim nickte. Zidon nickte verstehend. Nicht jedem war eine schöne Herkunft geschenkt. "Was kann ich für dich tun? Wenn dich Asra zu mir schickt, dann hast du ein phexgefälliges Anliegen.", fragte Zidon und stopfte sich beiläufig eine Dattel in den Mund. Kasim nickte, schwieg aber. Zidon kaute genüsslich auf der Dattel und sah Kasim fragend an. Mehrere Momente der Stille vergingen. "Wenn du einen Gedankenleser suchst, bist du bei mir an der falschen Addresse, Efendi", durchbrach Zidon das Schweigen. Die Hände von Kasim ballten sich zu Fäusten. Ihm war es sichtlich unangenehm. "Ich benötige Hilfe bei einem Diebstahl und Asra sagte, dass ich ein Gebet an den Herrn Phex kennt, das mir bei meiner Flucht helfen kann", presste er es widerwillig heraus. Zidon nickte. Er kannte dieses Ritual, wenn man Gebete von einem Hochgeweihten erlernen wollte. Zidon war sich bewusste, dass er einem Kollegen keine Liturgien vorenthalten durfte, wenn er ihn inständig darum bat. Aber Phex lehrt auch, dass alles seinen Preis hat. "In der Tat kenn ich die richtigen Gebete für ein solcherlei Vorhaben. Allerdings wird das nicht billig, oder nicht einfach. Deine Wahl ,Efendi", meinte Zidon relativ gelangweilt. Er wollte Details. Kasim versuchte nicht alles herauszugeben. Er hatte vor, bei einer Villa einzusteigen, um einen goldenen Kelch zu stehlen. Die Villa gehörte einem reichen Pferdehändler. Der Kelch soll dem Großvater vom Kaiser persönlich geschenkt worden sein. Nach Kasims Ausführungen war der Reinweg nicht das große Problem, aber die Flucht. Der einfachste Weg war über das Dach und mehrere Schritt tief über die Mauer zu sprigen. Zidon wusste genau welche Liturgie Kasim benötigte, es galt nun nur herauszufinden, ob seine Einsichten in die Wege von Phex tief genug gingen und was er bereit war als Gegenleistung zu geben.
Nach einer halben Stunde einigten sich die beiden auf das Lehren der "Sechs Leben des Mungos" gegen eine kleinere Beschaffung bei einem alchimistischen Kollegen. Zidon sagt:" Du kommst jeden Vormittag, noch bevor das Kontor eröffnet an das Warentor Zwei. Dort werden wir die nächsten zwei Tage üben. Lass dich nicht erwischen, sonst kannst du dir nur selbst helfen." "Und wer sich selbst hilft, dem hilft Phex!", rief Kasim erfreut. Zidon nickte und wieß ihm den Weg nach draußen. Der Geweihte dachte darüber nach, was nun eigentlich alles auf ihn zukommen wird, jetzt, wo er seine liturgischen Kenntnisse weitergeben kann. Der Graue hatte scheinbar noch den ein oder anderen Plan mit ihm. Zidon hörte Schritte neben sich: "Sahib, der Hetmann der Klauenfuß Ota verlangt nach euch. Es geht um den Erwerb von Proviant und Alkohol", klärte ihn ein Diener auf. Zidon seufzte. Eine Ladung Schiffszwiback und drei Fässer billigen Wein waren wohl nicht sein Lieblingsgeschäft.

Zidon verbringt in den letzten Wochen vor der Schlacht viel Zeit in seinem Kontor in Zorgan, genau genommen in seiner neuen Schreibstube. Sein neuer Rang als Mondschatten (Hochgeweihter der Phex-Kirche) brachte ihm bei der Mada Basari gewisse Privilegien ein. Die Schreibstube war ausgesprochen groß, dafür dass in ihr eigentlich nur der Schriftverkehr aufläuft. Der Sekretär mit allerlei von Zidon selbst zubereiteten Tinten, Mittelchen, Siegeln und sonstigen Spielereien stand recht imposant nur wenige Schritte vom Eingang entfernt. Die Korrespondenz mit den anzuheurenden Söldnern hatte er an mehrere Reißbretter an der Wand befestigt. Daneben standen mehrere hohe Regale mit vielen verschiedenen Büchern die nur auf den ersten Blick gewöhnlich aussahen. Sein Arbeitsbereich wurde durch Stellwände von dem weitaus gemütlicheren Teil des Raumes abgetrennt. Eine Sitzecke mit feinsten Stoffen bezogener Kissen und einer Wasserpfeife lud zum gemütlichen Plausch ein. Rahaja- und phexgefällige Gemälde und Wandteppiche hingen dort. Eine Auswahl verschiedener Weine stand bereit, wobei Zidon meist nur den Preis und Namen kannte, sie jedoch nicht wirklich am Geschmack unterscheiden konnte. Genau dort empfing er normalerweise wohlhabendere Kundschaft oder seine Gefährten. Neben der Sitzecke gab es noch eine kleine Bibliothek und einen kleinen Phex-Schrein. Zidon liebte den Schrein, denn er hatte ihn höchst individuell gestaltet, als ob er Phex zeigen wollte zu was für einen Geweihten er geworden war. Es war ein aus grauen Mamor gefertigte Skulptur, die einen Fuchs mit einer Elster auf dem Kopf sitzend zeigt, der gerade aus einer Art Nebel tritt. Erst bei genaurem hinsehen sieht man, dass die Elster mehrere Münzen verschiedenster Länder im Schnabel hat und der Fuchs drei Krallen zeigt. Unter der Skulptur befindet sich ein Schränkchen, in dem Zidon seine liturgischen Gegenstände und Paraphenalia aufbewahrte. Und ein Vorrat an Sternanis, den er leider viel zu oft auffüllen muss, da er, oder jemand anderes, gerne davon naschte.
Im Laufe der letzten Woche ruft er seine Gefährten einzeln zu sich in die Schreibstube und führt mit ihnen ein Gespräch, dass eher einem Monolog gleich kam.

Finnian

Später Nachmittag in Zorgan:

Eine junge Frau, gerade mal alt genug um eine Berufsausbildung abgeschlossen zu haben, hastete durch ein Lagerhaus. Ihr Kaftan war von ausgesprochen guter Qualität, in hellen, fast schon fröhlichen Farben gehalten. Der Reichtum ihrer Familie war ihr durch aus anzusehen. Und doch musste sie gerade einen riesigen Stapel von Papier quer durch das Kontor der Mada Basari tragen. Ihre Arme schmerzten unter dem Gewicht. Schweiß lief ihr über die Stirn. Ihre rabenschwarzen, lockigen Haare klebten ihr förmlich im Gesicht, egal wie sehr sich auch den Kopf wackelte. Sie ächzte die Stufen bis in das oberste Stockwerk des Lagerhauses. Ein Diener öffnete ihr pflichtschuldig die Tür. Sie gab sich keiner Höflichkeit hin, zu sehr brannten ihr die Arme. Unter Ächzen legte sie den Papierstapel auf dem Sekretär ab. Auf dem Sekretär lagen sortiert die Briefe der letzten Tage, oder zumindest diese, die gerade bearbeitet wurden. Ein Mann schritt durch die Lücke aus Stellwänden. Es war ihr aktuell Vorgesetzter. Ein vordergründig freundlicher Mann, mit sorgfälltig gestutzten Bart, gekleidet in einen edlen Kaftan. Im Gürtel hingen zwei Hakendolche, die durchaus benutzt aussahen. Der Mann hatte einen Becher mit einer Flüssigkeit in der Hand und kam auf sie zu. "Fadma, sind das die Berichte aus Kunchom und Perricum?", wollte der Geweihte wissen. Er drückte ihr den vollen, allerdings kalten Becher in die Hand und machte sich über den Stapel her. Fadma sah ihn etwas überrascht an. Sie hat sich noch nicht daran gewöhnt für Zidon zu arbeiten. Sie kannte ihn zwar aus ihrer Ausbildung zur Buchprüferin, aber er ist die meiste Zeit auf Reisen. Er bringt dann zwar immer ungeahnte Reichtümer und Kontakte mit, aber für sie war er fremd. Viele von ihren Kollegen hätten sich ein Bein ausgerissen um an ihre Position zu kommen. Sie allerdings wusste nicht so recht was sie dort sollte.
Zidon überflog die Korrespondenz. Einige Söldnergruppen kamen zu seiner bereits ansehnlichen Liste hinzu. Titos Idee die Kor-Kirche um Unterstützung zu bitten könnte sich als gewinnbringender erweisen, als es dem ehemaligen Gladiator klar war. Allein das sich die Kor-Kirche bzw. eine gewisse Anzahl ihrer Geweihten sich dem Kampf anschließen könnten, beflügelt die Fantasie der Leute. Zidon heftete die Antwortschreiben an sein Reißbrett. Als er bemerkte, dass Fadma immer noch mit dem Becher in der Hand da stand, wurde Zidon bewusst, dass er kein Wort gesagt hatte. Er kratzte sich etwas am Kinn, ehe er fragte: "Fadma, kannst du schnell und sauber schreiben?" Ihr wurde plötzlich ganz heiß. Sie wusste nicht ob vor Zorn, weil Zidon ihr scheinbar nichts zutraute, oder vor Scham, weil sie sich scheinbar noch nicht genug eingebracht hatte. Sie nickte dann nur eifrig. Zidon seufzte: "Warum sind alle Bediensteten hier so schweigsam. Sag doch einfach ja, ich kann schreiben. Und zwar diese und jene Schrift." Er wirkt etwas verärgert. Fadma entging dabei, dass er dabei etwas schmunzelte. Er hob dann den restlichen Papierstapel zur Seite, so dass Fadma sich setzten konnte.
Zidon begann zu diktieren. Zuerst immer in welcher Schrift und in welcher Sprache. Dann erst den Inhalt. Fadma fiel auf, dass er manchmal Schrift und Sprache mischte. Manchmal ergab das Gesagte auf den ersten Blick überhaupt keinen Sinn. So diktierte er einen Brief an einen Kontorsvorsteher in der Nähe von Elburum, in dem es um seine kranke Tante ging, die nur mit einem bestimmten Affen beworfen werden musste. Sie verstand, dass es sich um eine Art Geheimsprache handelte, aber so wirklich verstand sie es nicht.
Ein Diener kam herein und tauschte den kalt gewordenen Tee gegen einen frisch aufgebrühten aus. Zidon schien darauf gar nicht zu achten. Unablässig diktierte er. Unter anderem:

Zitat

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Hochgeschätzte Dhamara al Fahd, Anführerin der Ritter des Immerwährenden Kampfes,

ich, Zidon Mudejar, entsende meine ehrerbietigen Grüße. Ich ersuche Euch im Namen des "Bundes der Wogen" um Unterstützung bei der vor uns liegenden Aufgabe. Der Heptarch Paligan soll von uns gestellt und vernichtet werden. Ein solcher Feind muss mit der geballten Macht aller guten und rechten Menschen, Elfen, und Zwergen ausgetrieben werden. Daher ersuche ich euch, euren Herrn den Mantikor und der gesamten Geweihtenschaft des Kor um Unterstützung. Auf euch warten Ruhm und ein Kampf von epischen Ausmaß, in dem viel Blut fließen wird. Welche Reichtümer sich im Besitz von Paligan befinden vermag ich nicht seriös zu schätzen, aber die Piraten der Blutigen See dürften einiges erbeutet haben. Sollte euer Interesse, oder das eurer Glaubensbrüder und -schwestern geweckt sein, dann lasst mir ein kurzes Schreiben zu kommen. Für die Vertragsverhandlungen bin ich gerne bereit persönlich zu einem Ort eurer Wahl zu reisen.

Hochachtungsvoll

Zidon Mudejar

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Zidon unterzeichnet alle Briefe selbst und nutzt ein Siegel der Mada Basari. Er selbst hat eine kleine Modifikation an seinem Siegel vornehmen lassen, um das Netzwerk der Mada Basari nutzen zu können und gleichzeitig sofort erkennen zu können, welche Briefe für welche Angelegenheit gedacht ist. Manchmal verlor er den Überblick welche Briefe nun rein geschäftlicher Natur waren, oder ob es für den Bund angefertigt wurde. Zidon nahm sich den Becher mit Tee, nippte daran, stellte fest, dass er mal wieder kalt war und läutete ein Glöckchen, dass er einen neuen bekam. Fadma massierte sich zwischenzeitlich die Schreibhand. Sie war es nicht gewohnt so viel zu schreiben, schließlich ist sie Händlerin und keine Schreiberin. Wie aus dem nichts hielt ihr Zidon einen getrockneten Sternanis vor die Nase. Auffordernd lächelte er sie an. Sie nahm den Stern, sah ihn genau an, roch daran und biss dann ein Stück davon ab. Fadma hat Sternanis schon oft verkauft und verladen lassen, aber selbst nie gekostet. Zu kostbar war das Gewürz in ihren Augen. Und Zidon schien ständig davon zu naschen. Sie wunderte sich, wie viel Vermögen er hatte, oder welche genaue Position er in der Mada Basari hatte. Plötzlich verschwand er hinter einer der Stellwände und kam kurz darauf wieder und reichte ihr einen Tiegel. Darin befand sich etwas fettiges, jedoch wohlriechend. "Für deine Hand. Es nützt nichts, wenn du Krämpfe vom Schreiben bekommst", sagte Zidon fast fürsorglich. Sie wurde aus ihm nicht schlau, auf einer Seite war er so in seine Tätigkeit vertieft, dass er alles vergaß, auf der anderen Seite kümmerte er sich aber auch um alle. Ein frischer Tee wurde reingebracht und Zidon nahm einen Schluck davon. Er plauschte mit dem Diener kurz. Seltsamerweise freute sich Zidon über den ersten warmen Tee den er heute getrunken hatte, obwohl der Diener in der Anwesenheit von ihr schon dreimal einen neuen Becher gebracht hatte.
Sie ließ den Blick etwas durch den Raum schweifen. Von den Büchern im Regal konnte sie nur ein paar wenige Lesen. Die Schriften und Sprachen auf den Rücken sind ihr nicht bekannt. Zidon räusperte sich, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. "Ich denke, du kannst Feierabend machen. Die Sonne geht schon unter. Bring aber bitte die gesiegelten Briefe und diese Anweisung noch zum ehrenwerten Hakim, damit alles in die Wege geleitet wird." sagte Zidon und reichte ihr noch ein gefaltetes Papier. Es war kein besonders hochwertiges. Gesiegelt war es auch nicht. Und doch packte Fadma die neugierde was darin stand. Sie nahm das Papier, verneigte sich kurz vor Zidon und nahm die Briefe mit. Hakim war ein Botenreiter der Mada Basari und war immer in der Karawanserei nebenan anzutreffen. Fadma ging eiligen Schrittes die Treppen hinunter, huschte durch das Lagerhaus und setzte sich hinter ein paar Kisten. Sie wollte unbedingt wissen, was das für eine Anweisung war. Vorsichtig untersuchte sie das Papier. Es wirkte unscheinbar, gerade zu langweilig. Sie nahm allen Mut zusammen und klappte es auf. Sie wurde mit einem mal stocksteif und konnte sich nicht mehr bewegen. Auf dem Papier stand: "Neugier ist der Katze Tod, wenn der Fuchs im Schatten lauert".
Zidon kam mit gemäßigten Schritt auf sie zu. Sie konnte sich nicht bewegen. Er musterte sie mit einem Ausdruck von Enttäuschung und Verachtung. Mit einem Kopfschütteln sagte er mit kalter Stimme: "Ich bin mir nicht sicher ob du nur neugierig warst, dumm oder einfälltig. Ist auch egal. Der Graue vergibt nur zwei der drei Dinge, sofern man sich bei erstens nicht erwischen lässt. Der gute Hakim wird sich deiner Annehmen, nach dem er dich Befragt hat. Ich hoffe für dich, dass er zufrieden sein wird" Mit dieser Drohung gab er ein Handzeichen und ein Kontorarbeiter rannte los. Fadma überkam Panik. Wenige Momente später kam ein großer, breitschultriger Mann mit schwarzen Vollbart und einer Glatze auf sie zu. Seine Kleidung war zwar im tulamidischen Schnitt, allerdings aus Leder. Er roch nach Kamel- und Pferdestall. Sein Kunchomer blitzte bedrohlich im Licht der Laternen. Ohne auch nur ein Wort zu sagen stülpte er ihr einen Sack über den Körper, hob sie hoch und trug sie aus dem Kontor.
Zidon stand am Balkon und beobachtete wie Hakim den Sack auf einen Wagen lud und dort fachgerecht verschnürte. Zidon war sich nicht sicher, ob solche Vorsichtsmaßnahmen notwendig waren, schließlich hat er auf diese Weise schon fünf Gehilfen verschlissen. Aber seit dem Haffax kontakt zu ihnen aufgenommen hatte, versuchte Zidon so viel wie möglich zu verschleiern. Er schickte auch absichtliche Falschmeldungen an bekannte Händler und Bekannte, die auf keinen Fall an den Kämpfen teilnehmen würden, dafür aber gehörig redselig sind. Damit wird er einen Helme Haffax nicht aufhalten können, dies war Zidon bewusst, aber er kann damit Sympathisanten der Heptarchen Zeit kosten. Der Geweihte nahm wieder seinen Becher Tee in die Hand und nippte daran. Er war wieder kalt. Seufzent läutete er das Glöckchen und setzte sich dann an das nächste Schreiben. Heiler wollten organisiert sein und vielleicht würden die Therbûhniten sich der ganzen Sache ja anschließen. Bevor er anfing zu schreiben, blickte er in Richtung Horizont und seufzte.

Zidon wartete in einem hochdekorierten Raum. Es waren allerhand ingerimmgefällige Skulpturen auf kleinen Säulen platziert. In Vitrinen lagen hinter Glas besondere Schmiedeerzeugnise oder Mechaniken. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre Zidon an solcherlei Dingen höchst interessiert und hätte die Dukaten schon blitzen sehen, bei dem Gedanken sie zu stehlen. Er war aus einem anderen Grund dort. Der Sprecher des Sidi-Esmeralda-Tempels von Zorgan ließ scheinbar die Geduld des Phex-Geweihten prüfen. Zidon ging in dem Raum etwas auf und ab, arbeitete im Hinterkopf seine Liste ab, mit wem er noch über was sprechen muss, um eine möglichst große Unterstützung gegen Paligan zu haben. Jeder Soldat, jeder Bolzen, jede kleine Flamme könnte den Unterschied ausmachen. Aber statt sich mit Schreiben oder Planungen zu beschäftigen musste er sich hier gedulden. Nach einer gefühlten Ewigkeit öffnete ein junger Mann, er war wahrscheinlich keine 20 Jahre alt, mit breiten Schultern, einer Lederschürze und von Ruß geschwärzt, die Tür. Sein Blick wanderte über Zidon. Der Ausdruck des jungen Mannes war schwer zu deuten. Ob es Missbilligung über eine Störung oder das Abschätzen eines Händlers war, der Ingerimmsgaben nicht zu würdigen wusste. Er verneigte sich kurz. Laut wie ein Hammerschlag dröhnte seine Stimme: "Ingerimm zum Gruße, Salman ibn Birshen wird euch nun empfangen. Folgt mir bitte." Ohne auf Zidon zu warten drehte er sich um und ging in einem eiligen Schritt voran. Zidon musste sich Mühe geben Schritt zu halten. Der junge Mann blieb vor einer Tür stehen, aus der leichtes Hämmern zu hören war. Zidon wartete bis der junge Mann ihm die Tür öffnete und ging dann in den Raum.
Der Raum war eine komfortabl eingerichtete Feinschmiede mit allerhand interessanten Werkzeugen und Apparaten. Manche kannte Zidon, andere waren ihm völlig fremd. An einem kleinen Amboss saß ein älterer Tulamide. Seine langen schwaren Haare hatte er fein säuberlich zurückgebunden, wo durch seine Geheimratsecken gut sichtbar waren. Er trug einfache Kleidung, eine Lederschürze darüber. Er arbeitete mit einem Feinhammer an einer kupfernen Schale. Nach den feinen Drähten zu schließen, die auf der Werkbank neben ihm lag, könnte er an einer Waage oder Öllicht arbeiten. Der Geweihte hämmerte in einem seltsamen Takt, als ob er ein Lied spielte. Zidon beobachtete Salman etwas bei der Arbeit, bis er seinen Arbeitsschritt zu Ende gebracht hatte. Mit einem freudigen Lächeln legte er den Feinhammer auf den Amboss und sah zu Zidon. "Es ist höchst erfreulich einen geduldigen und respektvollen Gast empfangen zu dürfen. Ingerimm zum Gruße, Zidon Mudejar. Was bringt euch zu mir in meine Werkstatt?", begrüßte Salman Zidon mit einem breiten Lächeln. Er schloss Zidon in eine bärige Umarmung und klopfte ihm dann ständig auf die Schulter.
Zidon wusste von anderen Händlern, dass Salman sehr körperbetont spricht und verhandelte. "Es freut mich, einen solchen Handwerksmeister bei der Arbeit beobachten zu könenn. Schließlich kann man nur so eine Ware richtig einschätzen.", sagte Zidon, nach Luft ringend. Nach dem Zidon sich etwas aus der Umarmung lösen konnte, fing er an das Anliegen zu erklären: "Der Bund der Wogen benötigt die Unterstützung der Ingerimm-Kirche. Bevor ihr einen Einwand bringt, dass ihr nur Handwerker seid, lasst ihr mich bitte ausreden. Neben eurer handwerklichen Kunst bei der Instandhaltung der Schiffe, wäre eure besondere Verbindung zu Feuer von besonderer Bedeutung." Salman runzelte die Stirn, als ob er Zidon nicht ganz folgen konnte. Brummig entgegnete er: "Ihr wollt mir jetzt erzählen, dass ihr nicht für die Mada Basari hier seid, sondern für irgendeinen ominösen Bund. Ich habe schon gehört, dass sich Kräfte gegen die Blutige See formieren, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie mein Tempel sich dort über die Instandhaltung hinaus einbringen kann."
Zidon musste jetzt alles auf eine Karte setzen und sein, leider schon viel zu oft gelüftetes, Geheimnis offenbaren. Nach einer kurzen Gedankenpause hob er die Hand und eine kleine Flamme brannte darin. Sie leuchtete sanft in das Gesicht von Salman. "Euch ist wahrscheinlich nicht bekannt, dass ich ein Geweihter bin. Aber ich kann euch versichern, dass der Feuersegen eine nicht zu unterschätzende Waffe bilden kann. Ich habe die Idee, dass damit Hylailer Feuer gegen die Dämonenarchen entzündet werden können, um ihnen Fähigkeiten zu nehmen. Und die Moral der Soldaten des Bundes würde steigen, wenn sie wüssten, dass nicht nur Efferd, sondern auch Ingerimm auf ihrer Seite stehen." flüstere Zidon fast verschwörerisch. Salman betrachtete die Flamme in Zidons Hand. Sie flackerte nicht. Einfach ein warmes, beruhigendes Leuchten. Salman schüttelte leicht den Kopf. "Die Flammen des Konstrukteurs sind nicht zur Zerstörung gedacht. Auch wenn er in seinem Zorn durchaus zerstörerisch handelt." "Ingerimm hat in vielen Schlachten an der Seite von Rondra und Efferd gestanden. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass Ingerimm es missbilligen würde, wenn wir seine Gaben gegen die Feinde der Schöpfung nutzen.", setze Zidon nach. Salman begann zu grübeln.
Er ging zu seinem Amboss und fing an mit dem Feinhammer auf den Amboss zu klopfen. Zidon sagte nichts, er wartete einfach nur bis Salman seine Gedanken gesammelt hatte. Salman legte nach einer Weile den Hammer wieder auf den Amboss. "Ich werde mit dem Meister der Esse darüber sprechen, aber ich kann euch jetzt keine Zusage geben.", verkündete Salman. Zidon nickte verstehend. "Mehr verlange ich nicht. Und ich werde geduldig auf eure Antwort warten. Aber bedenkt, dass die namenlosen Tage nicht mehr fern sind. Lasst euch also nicht zu lange Zeit. Möge Ingerimm eure Hand führen, Salman ibn Birshen.", schloss Zidon ab. "Gebt auf euch acht, Zidon Mudejar. Ihr spielt ein gefährliches Spiel und ich hoffe, dass die Götter euer Vorhaben segnen. Möge die Flamme in euch hell brennen." Mit diesen Worten setzt sich Salman wieder an seinen Amboss. Zidon verließ den Ingerimm Tempel. Es war seiner Ansicht nach besser gelaufen als gedacht. Jetzt war sein nächstes Ziel der Löwentempel. Die Rondrageweihten von einem gefälligen Kampf zu Schiff zu überzeugen könnte schwierig werden, aber Entermanöver und Rammattacken kamen schließlich auch vor. Es könnte noch ein langer Tag werden für den Phex-Geweihten.

Die Dämmerung war schon absehbar. Die Sonne senkte sich immer mehr dem Horizont entgegen. Ein kühler Wind strich über die Landschaft. Auf der Straße, die sich durch die Hügel schlängelte, ritt ein einsamer Reiter im hohen Tempo. Keine Insignien wießen ihn aus. Seine einfache Lederkleidung war abgegriffen. Das einzig Neue an ihm war eine Tasche die er um die Schulter gelegt hatte. Nervös blickte er sich um. Seine schwarzen Locken klebten schweißnass an seiner Stirn. Er musste vor Sonnenuntergang im nächsten Dorf sein. Mit etwas Glück schaffte er es auch. Dafür musste er nur noch durch den kleinen Sumpf vor ihm. Als er die ersten Bäume passierte, ließ er sein Pfed in den Trab zurückfallen. Aufmerksam sah er sich um, bevor er eine Laterne entzündete.
Es verstrich eine gefühlte Ewigkeit. Der Knüppeldamm war gerade breit genug damit ein Reiter darauf vorankam. Die Luft war schwer. Sie stank nach Moder und Verfall. Hie und da stieg eine Luftblase auf. Frösche und Kröten gaben ein fast ohrenbetäubendes Konzert. Der Reiter betete zu Aves, damit er wohlbehalten im Dorf ankam. Sein Auftraggeber hatte ihm klare Instruktionen gegeben. Und auch welche Route er nehmen sollte. Seltsamerweise hatte er nicht den Auftrag ein Paket oder einen Brief zu überbringen, sondern sich ausrauben zu lassen. Die Bezahlung war gut und das Risiko überschaubar, ließen Räuber doch in der Regel von ihren Opfern ab, wenn sie ihnen das Wertvolle übergaben. In der Nacht wollte er trotzdem nicht auf der Straße sein.
In etwas Distanz sah er einen Baum auf dem Knüppeldamm liegend. Sein Pferd konnte sicherlich darüber springen. Er wunderte sich jedoch, da der Baum quasi in einer Freifläche auf dem Damm lag. Mit einem lauten Schmatzen traten hinter und neben ihm Wesen aus dem Wasser, die er erst beim zweiten hinsehen richtig sah. Ihre grünliche Pockige Haut scheinte feucht im Licht der Laterne. Ihre großen, runden Augen musterten ihn mit böswilligen Ausdruck. Der breite Mund war augenscheinlich misslaunig verzogen. Ihre kruden Speere hatten sie locker über ihre Schultern gelegt. Der größte von ihnen, der auch etwas wie zerlumpte Kleidung am Körper trug, trat auf ihn zu. Mit einem kehligen "Gib Alles!" auf Tulamidya forderte er scheinbar den Straßenzoll. Der Reiter sah nervös von Kröte zu Kröte. Die Anderen nahmen ihre Speere drohend in die grobgliedrigen Hände. Der Reiter gab ihnen ohne großes Zögern die Umhängetasche. Die große Kröte riss ihm die Tasche förmlich aus der Hand. Nach kurzem Nachsehen in die Tasche zischelte er etwas und seine Mitstreiter fingen an, laut stark auf den Reiter loszugehen. Der gab seinem Pferd die Sporen. Ob er von diesen Kröten erledigt wird, oder Sumpf ihn frisst, war wohl egal. Mit einem gewaltigen Sprung flogen die beiden über den Baumstamm. Das Pferd landete jedoch mit einem Huf in einer Senke und stürzte. Der Reiter wurde mehrere Schritt weit katapultiert und landete fast im Sumpf. Benommen rappelte er sich auf und rannte so schnell er konnte weg. Die Kröten machten sich in der Zeit über sein Pferd her, bis ihr Anführer sie zurück quakte.

Einige Zeit später:
Zidon saß in einer Teestube in Kunchom. Er saß in einer Ecke auf bequemsten und bunten Kissen. Ein Herr, in einen aufwendig verzierten Kaftan gekleidet, reichte ihm mehrere Schreiben. Der Geweihte überflog sie. Ein amüsiertes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. "Ist euer Plan aufgegangen, Habibi?", fragte der Mann neugierig. Zidon faltete die Schreiben und legte sie vor sich auf den Boden. "Es wäre zu früh, dass zu sagen. Aber die ausgelegten Köder wurden geschluckt. Und diese Schreiben hier sind nicht von meinen üblichen Informanten der Mada Basari.", entgegnete Zidon. Der Mann vor ihm runzelte die Stirn. Sein schwarzer Vollbart war ausgesprochen gut gepflegt. Dafür zierte kein einziges Haar sein Haupt. Die braunen Augen musterten Zidon. "Eine Erklärung?", fragte Zidon sichtlich amüsiert. Der Mann nickte.
"Dann hör mir mal gut zu Yussaf.", sagte Zidon und nahm einen theatralisch langen Schluck von seinem Tee. Er genoß sichtlich das Aroma. Yussaf wirkte mit jedem verstrichenen Augenblick ungeduldiger. "Ich habe einige Bekannte im laufe meiner Reisen gemacht. Händler, Barden, Geschichtserzähler, Bettler, und viele viele mehr. Mit einigen bin ich noch über Briefe lose im Kontakt. Und manchmal schicken sie mir die Kunde von Avespfaden.", erklärte Zidon. Der Mann sah ihn weiterhin verwirrt an. Zidon rieb sich kurz das Kinn, als ob er kurz überlegen musste. "Stell dir vor du bist ein Geschichtenerzähler. Und zwar kein guter. Du beherrscht nämlich nur zwei Geschichten. Die einze erzählst du in jeder Taverne, Teehaus und so weiter an der du vorbei kommst. Die Andere erzählst du nur besonderen Leuten. Du ziehst dann für einen Götterlauf durch die Gegend und kommst am Ende wieder an den Ort zurück, von dem du gestartet bist. Ein guter Freund erzählt dir dann von einer Geschichte, die ganz ähnlich ist zu deiner eigenen. Jedoch kann er dir nicht sagen wo er es gehört hat.", führte Zidon aus.
Yussaf fuhr sich durch den Bart. "Ihr wollt mir damit erzählen, dass ihr über eure Bekannten Geschichten gehört habt, die ihr selbst in umlauf gebracht habt? Und was bringt euch das?", fragte Yussaf verwirrt. Zidon grinste weiterhin selbstgefällig. "Es ist ganz einfach. Wenn eine Lüge oft genug wiederholt wird, wird sie eventuell zur Wahrheit von Leuten die sie von mehreren Seiten hören. Und wie uns Phex gelehrt hat, gibt es mehrere Formen der Wahrheit.", erklärte Zidon. Yussaf sah ihn noch immer verwirrt an. "Meine Freunde haben mir erzählt, dass auf Rulat Gerüchte vorherschen, die ich selbst gesäht habe. Und dass sich auch ähnliche Gerüchte wie der Wind verbreiten. Dazu kommen natürlich durchgestochene Informationen, abgefangene Korrespondenz und ähnliches. Manches ist echt, vieles frei erfunden. Und das Eine vom Anderen zu trennen bedarf großer Anstrengung.", erzählte Zidon selbstgefällig. Jetzt nickte Yussaf verstehend. "Deswegen habt ihr so viele Boten und Briefe losgeschickt mit allen möglichen Nachrichten. Und ich dachte diese eine lange Liste mit Nahrungsmitteln wäre eine verschlüsselte Botschaft die wir besonders Sichern sollten." Zidon kratzte sich am Kopf. Er hatte einige Briefe selbst und auch von anderen Geweihten weihen lassen und mit "Verlust von Nandus Gaben" versehen. Bei bekannten Paktierern und Mitverschwörern hat er gleichzeitig Nachricht an die Stadtwachen geschickt. Der Erfolg dieser Unternehmungen würde sich erst später zeigen. Er hoffte, dass er seinen Gefährten genug Zeit und Handlungsspielraum verschaffte

Zidon saß in einer billigen Kaschemme in einem der schlechtesten Viertel Kunchoms. Entgegen der Ratschläge Yussafs wollte Zidon sich selbst ein Bild seines zweiten Planes machen. Denn Desinformation und Gerüchte streuen ist das eine, aber der Kampfgeist der eigenen Seite wollte auch gestärkt werden. Denn mit dem eigenen Gold, der Spenden und des Plünderguts lassen sich zwar viele Schwerter kaufen, doch den Mut weckt es nicht. Jedem Krieger und weitgereisten Abenteurer war es klar, dass nichts von Gold allein zusammengehalten wird. Und so hatte Zidon Geschichtenerzählern und Barden einwenig eingeflüstert. Meistens spät am Abend trieb er sich in verschiedensten Spelunken, Kaschemmen, Tavernen und Gaststuben herum, um dort die verschiedensten fahrenden Leute aufzusuchen. Dabei hatte der Geweihte stets ein für Palligan giftiges Geschenk. Einen Gedanken des Widerstands verpackt in Geschichten und Liedern. Und Zidon wusste, dass an diesem Abend einer seiner Beschenkten auftritt. Er hatte ihn vor ein paar Wochen in Zorgan zwei Strophen zugesteckt und war gespannt was er daraus machte.
Ein junger Mann in auffällig bunten Kleidern setzte sich auf den Tresen. Für Kunchomer Verhältnisse durch aus exotische Kleidung aus dünnem Leder und bunten Filz. Sein Instrument wirkte wie eine Laute, hatte aber einen kleineren Korpus. Er hatte ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Mit klarer, leichter Stimme erzählte er woher er kam, was ihm so widerfahren war und spielte das eine und andere traurige bornische Lied. Zidon hörte aufmerksam zu. Der Geweihte hatte sich in die schlechtesten Lumpen gekleidet, die er in seiner Reisekiste hatte, dazu ein Tuch über Kopf und Mund geschlungen. Zum trinken musste er das Tuch immer etwas anheben. Der Tee schmeckte furchtbar bitter, aber was konnte man für ein paar Kreuzer schon erwarten. Er war aber schließlich nicht wegen der kulinarischen Meisterleistungen in dieser Kaschemme.
Zidon fiel auf, dass der junge Barde seinen Vortrag so gestaltete, dass er von sehr melanchlischen Heimatschmerzliedern zu immer fröhlicheren und kämpferischen Liedern wechselte. Immer wieder streute er Begegnungen an Küsten mit Piraten, Krakoniern und anderen Geschichten der blutigen See als Erzählung mit ein. Und schließlich spielte er das Lied, welches Zidon ihm in Ansatz einflüsterte:

Auf die Melodie von "Die Moorsoldaten" https://www.youtube.com/watch?v=-boCKJsDe5U

Wohin auch das Auge blicket
Blut und Meere nur ringsum
Möwensang uns nicht erquicket
Schiffe liegen brach und plump

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Hier in diesem blutgen Meere
Ist das Schlachten angestaut
Wo wir fern von jeder Freude
kämpfen um der Zukunft Traum

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Morgens ziehen die Leuen
Durch das Meer zum Kampfe hin
Streiten bei dem Brand der Sonne
Doch zur Heimat steht der Sinn

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Auf und nieder geh'n die Wellen
Keiner, keiner bricht hindurch
Flucht wird nur das Leben kosten
Vierfach ist entflammt der Bug

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Wir sind die Wogenreiter
Und ziehen mit den Streitern
Ins Meer

Doch für uns gibt es kein Klagen
Ewig kann nicht Wüten sein!
Einmal werden froh wir sagen
Palligan du bist endlich tot!

Dann zieh'n die Wogenreiter
Nicht mehr mit dem Streitern
Ins Meer

Dann zieh'n die Wogenreiter
Nicht mehr mit dem Streitern
Ins Meer


Die Menge war wie aufgepeitscht. Es wurden Rufe laut wie: "Tot dem Heptarchen!" und "Nieder mit der blutigen See!" Zidon grinste zufrieden. Es war gut, dass er die kreative Arbeit denen überließ, die damit ihr Geld verdienten. Und so hatte schließlich nicht nur Efferd, Ingerimm, Rondra und Praios in diesem Lied ihren Platz gefunden, sondern auch Phex. Zidon ließ seinen Tee stehen, warf dem Barden einen Heller in den Hut und machte sich zufrieden auf den Heimweg. Wenn sich solche Lieder über die Küsten verbreiteten, konnte der Bund der Wogen aus einer großen Menge an Freiwilligen schöpfen. Was dann gegen Abweichler zu tun ist, müssen dann die Offiziere vor Ort entscheiden. Schließlich kann Zidon sich nicht um alles kümmern.